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“Ein gut Ding braucht Weile” und ein guter Beitrag braucht Muße, um geschrieben zu werden. So sind wir stolz an dieser Stelle den letzten Beitrag unserer Reihe über die Acedia anführen zu können. Er ist wirklich lang, weil der lateinische Originaltext auch beigefügt wurde, da er aber eine Einheit bildet, so wollten wir ihn nicht aufteilen. In den Ostertagen werden wir wahrscheinlich mehr Muße zum Lesen als sonst haben und deswegen wird dieser Beitrag einige Tage lang auf dem Blog bleiben. Viele Inhalte werden hier doppelt erscheinen, was hinsichtlich des Lerneffekts bewußt gemacht wurde. Denn es sind für die meisten neue Inhalte und es heißt ja nicht von ungefähr: repetitio est mater studiorium – “die Wiederholung ist die Mutter der Studierenden”. Dies ist also unser Ostergeschenk an unsere Leser.
Was ist ein Hauptlaster?
Wie wir bereits bestimmt haben, bedeutet das Wort Laster (vitium) in der Theologie etwas anderes als in der Alltagssprache.[1] Während in der Alltagssprache ein Laster, bspw. die Pornosucht, eine wiederholte Sünde ist, die jemanden in die zweite Natur übergegangen ist, bedeutet in der Theologie Laster (vitium) den Ursprung der Sünde, welche die Möglichkeit zum Sündigen bereitet. Wie ein entzündeter Zahn viele Infektionen bewirken kann, welche ohne die Stilllegung der Infektionsquelle ungeheilt bleiben,[2] so werden die aktuellen Sünden ohne die Stilllegung des Lasters nicht weniger.
Die Theologie spricht daher von Hauptlastern (vitia capitalia), aus welchen alle anderen Sünden resultieren. Auch unter Theologen werden sie die Hauptsünden genannt, aber wir wollen hier die Bedeutung von Sünde (peccatum) als Tat und Laster (vitium) als Anlage auseinanderhalten. Thomistisch gesprochen steht das Laster (vitium) die Potenz, die Sünde (peccatum) hingegen den Akt dar. Die recht ausgebaute Lehre von den septem vitia capitalia also von den sieben Hauptlastern, welche auf Evagrius Ponticus und Johannes Cassianus zurückgeht, wollen wir an einer anderen Stelle besprechen. Es genügt an dieser Stelle zu sagen, dass seit der Scholastik sieben Hauptlaster und nicht wie bei Evagrius und Cassianus acht, das diese noch die filodoxia – die Ruhmenssucht als ein eigenes Laster zählten, annehmen. Die Hauptlaster sind:
- Stolz (superbia),
- Geiz (avaritia),
- Wollust (luxuria),
- Zorn (ira),
- Völlerei (gula),
- Neid (invidia),
- Trägheit (acedia).
Liest man die Anfangsbuchstaben der lateinischen Namen, so ergibt sich das Kunstwort saligia, welches dazu dient sich die Namen aller sieben Hauptsünden zu merken. Was ist ein Hauptlaster? Es ist, wie gesagt, eine Quelle anderer Sünden, eine Sündenanlage sozusagen in etwa mit einem leckenden Rohr unter dem Putz oder einem Schimmelbefall vergleichbar. Wenn man die Quelle dieses Übels nicht beseitigt, so ist es müßig die Folgen zu bekämpfen. Ähnlich wie bei Sümpfen und Malaria, keine Sümpfe – keine Malaria, denn bei Sümpfen wird es immer Mücken und somit immer Malaria geben. Obwohl die Hauptlaster manchmal auch Hauptsünden auch Todsünden genannt werden, so ist eine Todsünde theologisch gesehen etwas anderes, denn sie ist eine schwere Sünde, welche das Gnadenleben im Menschen vernichtet. Nach der Lehre der Kirche gelangt man nach dem Tod mit einer aktuellen Todsünde, die nicht gebeichtet oder durch keine Liebesreue, falls die Beichte nicht möglich ist, sofort in die Hölle (DH 780, 839, 858 u.a.) So schreibt der Papst Benedikt XII. in der Konstitution Benedictus Deus (1339), welche eine de fide Glaubensdefinition darstellt, welche den Glaubensgehorsam seitens der Gläubigen nach sich zieht:
„Wir definieren zudem, dass nach allgemeiner Anordnung Gottes die Seelen der in einer aktuellen Todsünde Dahinscheidenden sogleich nach ihrem Tod zur Hölle hinabsteigen, wo sie mit den Qualen der Hölle gepeinigt werden […] (DH 1002)“.
Bei der schweren Sünde oder der Todsünde muss die Materie der Sünde, also das, was man getan hat, schwer sein und die Verfehlung mit bei voller Absicht geschehen sein. Wir wollen uns aber an dieser Stelle nicht bei der schweren Sünde aufhalten. Das Hauptlaster kann in manchen Fällen mit der Todsünde identisch sein, wenn jemand aufgrund des Hauptlasters des Zornes (ira) beispielsweise schwer durch Zornesausbrüche oder unter ständigem Zorn getroffene Entscheidungen sündigt. Dennoch entwachsen einer Hauptsünde, wie beispielsweise dem Neid, sehr viele aktuelle Sünden. Daher ist es sehr für den geistlichen Fortschritt nützlich erstens festzustellen, was meine Hauptsünde eigentlich ist und dagegen, meistens in jahrelanger Kleinstarbeit, vorzugehen.
Acedia ist ein Hauptlaster
Wir wollen hier mit dem hl. Thomas von Aquin, der sich natürlich auf ältere Quellen stützt, annehmen, dass Acedia – die geistige Trägheit – ein Hauptlaster ist. Dies bedeutet, dass die Faulheit beim Gebet und beim geistlichen Leben als solchem für keinen von uns, nicht einmal für die Laien, ein Pappenstiel ist. Schneidet man das Thema des Gebets mit jemand an, so kommt es wie aus der Pistole geschossen:
„Ich muss das nicht. Das sollen die ….Mönche, Nonnen tun.“
Eine andere Version dieses Satzes lautet:
„Ich habe da kein Bedürfnis.“
„Dafür habe ich keine Zeit“.
Und je nach Stand und Veranlagung beginnt man sich zu entschuldigen. Dabei ist aber jeder von uns nicht nur zur Vervollkommnung in allen Bereichen verpflichtet,[3] besonders aber zur Vervollkommnung im geistlichen Bereich. Man will doch zur Anschauung Gottes gelangen und möglichst über ein kurzes Fegefeuer. Was macht man denn Himmel die ganze Ewigkeit lang? Man betet an, denn das ist die höchste Stufe des Gebets: die anbetende Anschauung. Damit man aber nach dem Tod dazu überhaupt fähig ist, so muss man zu Lebzeiten darauf hin trainieren. Sonst bleibt uns das Fegefeuer und dies bedeutet Läuterung durch schweres Leid. Aber auch in diesem Leben ist ein geistliches Leben, welches ja primär im Gebetsleben besteht, gut für alles und gut gegen alles. Bei Menschen aber, die in geistlichen Berufen der Kirche arbeiten oder Theologen sind, ist es absolut unabkömmlich. Sonst wird man zum blinden Blindenführer wie unsere „Bischofsperlenbischöfe“ und die Mehrheit unserer Priester. In diesen Fällen ist die geistige Trägheit tatsächlich eine schwere Unterlassungssünde, denn diese gibt es auch. Lesen wir uns also die Beweisführung des Aquinaten, wonach Acedia, die geistige Trägheit, ein Hauptlaster ist. Es handelt sich hier um die Stelle Summ. theol. IIª-IIae q. 35 a. 4[4], die wir größtenteils in eigener Übersetzung angeben.
Acedia ist ein Hauptlaster
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a) [Videtur quod non. Gegenargumente] Dem widerstreitet:
IIª-IIae q. 35 a. 4 arg. 1
Ad quartum sic proceditur.
I. Videtur quod acedia non debeat poni vitium capitale. Vitium enim capitale dicitur quod movet ad actus peccatorum, ut supra habitum est. Sed acedia non movet ad agendum, sed magis retrahit ab agendo. Ergo non debet poni vitium capitale.
Zum Vierten folgt.
I. Es scheint, dass Acedia nicht zu den Hauptlastern gerechnet werden kann. Als Hauptlaster wird nämlich das bezeichnet, was zu sündigen Akten führt. Aber Acedia führ nicht zum Tun, sie hält vielmehr vom Tun ab. Daher soll sie nicht zu den Hauptlastern gezählt werden.
Dieser Einwand will sagen, dass eine Unterlassung noch längst nicht so schlimm ist wie eine Tat, was aber nicht stimmt.
IIª-IIae q. 35 a. 4 arg. 1
II. Praeterea, vitium capitale habet filias sibi deputatas. Assignat autem Gregorius, XXXI Moral., sex filias acediae, quae sunt malitia, rancor, pusillanimitas, desperatio, torpor circa praecepta, vagatio mentis circa illicita, quae non videntur convenienter oriri ex acedia. Nam rancor idem esse videtur quod odium, quod oritur ex invidia, ut supra dictum est. Malitia autem est genus ad omnia vitia, et similiter vagatio mentis circa illicita, et in omnibus vitiis inveniuntur. Torpor autem circa praecepta idem videtur esse quod acedia. Pusillanimitas autem et desperatio ex quibuscumque peccatis oriri possunt. Non ergo convenienter ponitur acedia esse vitium capitale.
II. Außerdem hat das Hauptlaster sieben Töchter, die ihm zugeschrieben werden. Gregor [der Große] (31. moral. 17.) gibt sechs Töchter der Acedia an: „die Bosheit, den Groll, die Kleinmütigkeit, die Verzweiflung, die Trägheit rücksichtlich der Gebote, das Herumschweifen des Geistes in Unerlaubtem“, welche jedoch nicht im rechtmäßigen Sinne aus der Acedia zu resultieren scheinen. Denn „Groll“ scheint dasselbe wie Hass zu sein, welcher wiederum aus Neid, wie oben dargestellt, zu resultieren scheint. „Bosheit“ ist aber die Gattung aller Laster und ebenso das Herumschweifen des Geistes in Unerlaubtem, kann in allen Lastern gefunden werden. „Trägheit rücksichtlich der Gebote“ scheint dasselbe wie Acedia zu sein. „Kleinmut“ und „Verzweiflung“ können aus jeglichen Sünden resultieren. Es ist also nicht zulässig Acedia zu den Hauptlastern zu zählen.
Warum haben die Hauptlaster Töchter und keine Söhne? Wahrscheinlich, weil das griechische Wort für Sünde (hamartema oder hamartia) weiblichen Geschlechts ist. Da der Teufel der eigentlich Vater der Sünde ist, so bleibt den Sünden das weibliche Geschlecht.
IIª-IIae q. 35 a. 4 arg. 3
III. Praeterea, Isidorus, in libro de summo bono, distinguit vitium acediae a vitio tristitiae, dicens tristitiam esse inquantum recedit a graviori et laborioso ad quod tenetur; acediam inquantum se convertit ad quietem indebitam. Et dicit de tristitia oriri rancorem, pusillanimitatem, amaritudinem, desperationem, de acedia vero dicit oriri septem, quae sunt otiositas, somnolentia, importunitas mentis, inquietudo corporis, instabilitas, verbositas, curiositas. Ergo videtur quod vel a Gregorio vel ab Isidoro male assignetur acedia vitium capitale cum suis filiabus.
III. Außerdem unterscheidet Isidor [von Sevilla] (2. de summo bono) zwischen dem Laster der Acedia vom Laster der Trauer und sagt: „Trauer sei es, insofern jemand ablässt vom Schweren und Mühevollen, wozu er gehalten ist; Acedia, insofern jemand sich zu ungebührender Ruhe wendet;“ und fügt hinzu „aus der Trauer entspringe Groll, Kleinmut, Bitterkeit, Verzweiflung; aus der Acedia, sagt er, rühren sieben [ethische Mängel] her Nichtstuerei, Schläfrigkeit, Unausstehligkeit des Geistes, Unruhe des Körpers, Unbeständigkeit, Geschwätzigkeit, Neugierde.“ So scheint es, dass entweder Gregor oder Isidor schlecht die Acedia als Hauptlaster mit ihren Töchtern bestimmt haben.
IIª-IIae q. 35 a. 4 s. c.
Sed contra est quod Gregorius dicit, XXXI Moral., acediam esse vitium capitale et habere praedictas filias.
Dagegen aber steht, dass Gregor in Moralia 31 gesagt hat, dass Acedia ein Hauptlaster mit den angegebenen Töchtern ist.
[Respondeo dicendum Thomas Eigenleistung]
Iª-IIae q. 35 a. 4 co.
Respondeo dicendum quod, sicut supra dictum est, vitium capitale dicitur ex quo promptum est ut alia vitia oriantur secundum rationem causae finalis. Sicut autem homines multa operantur propter delectationem, tum ut ipsam consequantur, tum etiam ex eius impetu ad aliquid agendum permoti; ita etiam propter tristitiam multa operantur, vel ut ipsam evitent, vel ex eius pondere in aliqua agenda proruentes. Unde cum acedia sit tristitia quaedam, ut supra dictum est, convenienter ponitur vitium capitale.
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b) Ich antworte, Hauptlaster wird deswegen ein solches genannt, weil, wie oben angegeben, aus ihm andere Laster resultieren aufgrund des Prinzips der Zweckursache. Wie aber die Menschen Vieles tun zum Zwecke der Ergötzung, teils um derselben habhaft zu werden teils von ihrem Anstoße her geleitet; so tun sie auch Vieles wegen Traurigkeit, teils um sie zu vermeiden teils von ihr getrieben. Da die Acedia aber eine Art der Traurigkeit ist, wie oben angeführt wurde, so ist es zulässig sie unter die Hauptlaster zu zählen.
Die Philosophie der Antike insbesondere Aristoteles auf dem Thomas fußt, hatte ein viel reicheres Verständnis der Ursache als wir jetzt. Zurzeit, aufgrund der Methodologie der Naturwissenschaften, wird eigentlich nur von der Wirkursache (causa efficiens) gesprochen, also von etwas, was etwas bewirkt und meistens vor einem Prozess auftritt. So ist der Schwefel im Streichholz die Wirkursache der Verbrennung. Aber Philosophie kennt noch mehr Ursachen, darunter die Zweckursache (causa finalis). Darunter wird etwas verstanden, was sich am Ende eines Prozesses befindet.[5] So ist die Zweckursache einer Kaulquappe der Frosch. Bei den Hauptlastern bilden die konkreten Sünden die Zweckursachen des Lasters. Thomas von Aquin stellt sehr richtig fest, dass manchmal ein Laster im Sinne von vitium am Ende einer Handlung als Wirkursache (causa efficiens), manchmal aber auch an ihrem Ende als Zweckursache (causa finalis) steht. Man wird von der Traurigkeit getrieben oder man tut manches, um der Traurigkeit zu entkommen. So trinken viele Depressive, um der Depression zu entkommen, aber am Ende des Trinkens wartet eine neue oder eher alte Depression.
IIª-IIae q. 35 a. 4 ad 1
Ad primum ergo dicendum quod acedia, aggravando animum, impedit hominem ab illis operibus quae tristitiam causant. Sed tamen inducit animum ad aliqua agenda vel quae sunt tristitiae consona, sicut ad plorandum; vel etiam ad aliqua per quae tristitia evitatur.
c) I. Zum ersten Einwand muss man sagen, dass Acedia zwar die Seele beschwert und von jenen Taten abbringt, welche die Acedia bewirken. Aber dennoch führt sie den Geist dazu etwas zu tun, was mit der Trauer einhergeht, wie zum Beispiel das Weinen; oder sie bringt jemanden dazu andere Sachen zu tun, durch welche Traurigkeit gemieden wird.
Neuerdings schlüpfte wieder ein Ordensgeistlicher und Provinzial eines Ordens, in der Heimat des Schreibers dieser Zeilen, in die Opferrolle und gab, natürlich nach dem Gespräch mit seinem Therapeuten an, dass sein Alkoholismus und seine Hyperaktivität, fügen wir hinzu, des Ordensmannes, nicht des Therapeuten, aus der tief versteckten Depression kamen. Das ist nicht ganz verkehrt, aber wir fügen noch zu, dass die Depression aus der Acedia – Trägheit im Geistlichen resultierte. Er versuchte also die innere Leere, die beim fehlenden Gebetsleben sich irgendwann einmal einstellt, durch Aktivismus und Suff zu füllen. Und obwohl Acedia am Anfang stand, so stand sie auch am Ende dieses Weges.
IIª-IIae q. 35 a. 4 ad 2.
Ad secundum dicendum quod Gregorius convenienter assignat filias acediae. Quia enim, ut philosophus dicit, in VIII Ethic., nullus diu absque delectatione potest manere cum tristitia, necesse est quod ex tristitia aliquid dupliciter oriatur, uno modo, ut homo recedat a contristantibus; alio modo, ut ad alia transeat in quibus delectatur, sicut illi qui non possunt gaudere in spiritualibus delectationibus transferunt se ad corporales, secundum philosophum, in X Ethic. In fuga autem tristitiae talis processus attenditur quod primo homo fugit contristantia; secundo, etiam impugnat ea quae tristitiam ingerunt. Spiritualia autem bona, de quibus tristatur acedia, sunt et finis et id quod est ad finem. Fuga autem finis fit per desperationem. Fuga autem bonorum quae sunt ad finem, quantum ad ardua, quae subsunt consiliis, fit per pusillanimitatem; quantum autem ad ea quae pertinent ad communem iustitiam, fit per torporem circa praecepta. Impugnatio autem contristantium bonorum spiritualium quandoque quidem est contra homines qui ad bona spiritualia inducunt, et hoc est rancor; quandoque vero se extendit ad ipsa spiritualia bona, in quorum detestationem aliquis adducitur, et hoc proprie est malitia. Inquantum autem propter tristitiam a spiritualibus aliquis transfert se ad delectabilia exteriora, ponitur filia acediae evagatio circa illicita. Per quod patet responsio ad ea quae circa singulas filias obiiciebantur. Nam malitia non accipitur hic secundum quod est genus vitiorum, sed sicut dictum est. Rancor etiam non accipitur hic communiter pro odio, sed pro quadam indignatione, sicut dictum est. Et idem dicendum est de aliis.
Zum zweiten Einwand lässt sich sagen, dass Gregor [der Große] richtig die Töchter der Acedia aufzählt. Denn wie der Philosoph [Aristoteles] in (8 Ethic. 5.) schreibt: „Niemand kann lange ohne irgendeine Ergötzung in der Trauer bleiben,“ sodass aus der Trauer etwas zweifaches resultieren kann:
- in der Weise, dass der Mensch sich von dem entfernt, was Trauer verursacht;
2. in der Weise, dass zu etwas anderem übergeht, was erfreut.
Wie auch jene, die sich nicht an geistigen Ergötzungen (delectationes spirituales) erfreuen können, gehen zu körperlichen Ergötzungen (delectationes corporales) über, gemäß dem Philosophen [Aristoteles], der diesen Vorgang in seiner Ethica 10 beschreibt. Im Fliehen vom Traurigen aber lässt sich folgendes Vorgehen beobachten; dass nämlich zuerst der Mensch vor dem, was Trauer erweckt, flieht; und dass er das bekämpft, was die Trauer herbeiführt. Geistige Güter (bona spiritualia) aber, welche die Acedia traurig stimmen, stellen sowohl den Zweck (finis) als auch das, was zum Zweck führt (id quod est ad finem) dar. Die Flucht vor dem Ziel/Zweck aber erfolgt durch Verzweiflung. Die Flucht jedoch vor den Gütern, die dem Ziel dienen, insofern es sich um ein harte [anspruchsvolle] Güter (bona ardua) handelt, welche in den [evangelischen] Räten bestehen, erfolgt durch Kleinmut (pusillanimitas); inwiefern aber die Güter das betreffen, was der gemeinsamen Gerechtigkeit dient, erfolgt diese Flucht durch die Trägheit hinsichtlich der Gebote (torpor circa praecepta).
Das Bekämpfen aber der geistlichen Güter, welche die Trauer erwecken, inwiefern es die Menschen betrifft, die uns zu den geistlichen Gütern führen, dieses Bekämpfen ist mit Groll (rancor) identisch. Inwiefern das Bekämpfen aber sich auf die geistlichen Güter selbst erstreckt, zu deren Abscheu (detestatio) jemand geführt wird, dann ist der Name dieses Verhaltens die Bosheit (malitia). Inwiefern jedoch jemand wegen der Traurigkeit über die geistlichen Güter sich zu den ergötzlichen Äußerlichkeiten (delectabilia exteriora) hingezogen fühlt, dann ist es richtig zu den Töchtern der Acedia das Herumschweifen im Unerlaubten (evagatio circa illicita) zu zählen. Aus dem Vorhergesagten erschließt sich die Antwort auf den Vorwurf hinsichtlich der einzelnen Töchter [der Acedia]. Denn die Bosheit (malitia) wird hier nicht als die Gattung der Laster betrachtet, aber so, wie sie dargestellt wurde. Groll (rancor) wird hier nicht gemeinerweise für Hass (odium) gehalten, aber, wie oben dargestellt, wird er als eine Kränkung betrachtet. Und so verhält es sich auch mit den anderen Töchtern.
„Diejenigen, die sich nicht an geistigen Ergötzungen (delectationes spirituales) erfreuen können, gehen zu körperlichen Ergötzungen (delectationes corporales) über“.
Ja, genauso ist es und deswegen lautet die Definition des Intellektuellen von Aldous Huxley wie folgt:
An intellectual is a person who’s found one thing that’s more interesting than sex.[6]
„Ein Intellektueller ist jemand, der etwas gefunden hat, was interessanter als Sex ist.“
Auf den Einwand:
„Da hat aber jemand noch keinen »guten Sex« [was immer das auch ist? Red.] gehabt“,
antworten wir:
„Da hat jemand aber nichts Interessanteres gefunden oder ist nicht in der Lage sich intellektuell für etwas zu interessieren“.
Manche bleiben ihr Leben lang auf der Stufe der sinnlichen Interessen und Ergötzungen (delectationes) stehen, weil sie primitiv sind und sie sind es deswegen, weil sie ihr Gehirn nicht durch Übung und Bildung verformen im Sinne von „bilden“ wollen. Das Letztere ist wirklich sehr anstrengend, was jeder weiß, der etwas Intellektuelles gelernt oder studiert hat. Es ist aber, was die Formung des Gehirns betrifft, sehr wirkungsvoll. Warum gibt es denn auch sinnliche aber gebildete Menschen? Weil sie auch intellektuell das Einfachere suchen und kein geistliches Leben pflegen, welches ebenfalls schwierig ist. Es ist dabei zu beachten, dass hl. Thomas von den „geistlichen Ergötzungen“ (delectationes spirituales) spricht, nicht von intellektuellen oder ästhetischen Ergötzungen. Einen schönen logischen Beweis zur Musik von Bach nachvollziehen können, ist zwar eine Ergötzung, aber keine geistliche Ergötzung.
Es bleibt hier zu wiederholen, dass Acedia keine Faulheit an sich ist, sondern Faulheit hinsichtlich der göttlichen Dinge oder Güter. Sie ist eine Traurigkeit (tristitia), die daher resultiert, weil man feststellt, dass man diese geistlichen Güter nicht besitzt oder nicht einmal weiß, was sie sind. Diese Traurigkeit wurde dem Schreiber dieser Zeilen seitens der Geistlichen mehr als einmal mitgeteilt:
„Du hast es gut. Ich habe so etwas nicht. Das ist bei Dir eine Gabe“.
Nein, es ist keine Gabe, sondern jahrelange Anstrengung und Training. Niemand hat auch die Gabe eines Waschbrettbauches, sondern höchstens eine bessere Veranlagung und der Waschbrettbauch erfordert viel Training. Sehr richtig stellt der Aquinate fest, dass man zuerst das Ziel (finis) also die Gegenwart Gottes meidet, denn das ist eigentlich das Gebet, ebenso wie das, was zu diesem Ziel führt (id quod est ad finem) und diese wären:
- Gebet,
- Buße,
- Beichte,
- Geistliche Lektüre,
- Geistliche Gespräche,
- Geistliche Menschen,
- etc.
Kurz und gut: Man meidet alles, was jemanden daran erinnert, was er nicht ist oder hat.
Warum meidet man es? Weil es sich bei den geistlichen Gütern (bona spiritualia) um „harte/anspruchsvolle Güter“ (bona ardua) handelt, also um etwas, was wirklich hart zu erarbeiten ist. Geistliches Leben ist wirklich ein Leistungssport und nichts für Waschlappen beiderlei Geschlechts. Die evangelischen Räte:
(a) Gehorsam,
(b) Armut und
(c) Keuschheit
gehen ja gegen den Strich der gefallenen Natur, welche sich nach
(a) Macht,
(b) Reichtum und
(c) Sex sehnt.
Aber verlässt man die Letzteren, fleischlichen, theologisch begriffen, Begierden nicht, so kommt man niemals zum Geistlichen, denn mit einer „gepflegten Wampe“ bekommt man auch niemals ein Wachbrettbauch. Weil diese geistlichen Güter so hart buchstäblich umkämpft werden müssen, so kommt es bei den Meidenden zu:
- Kleinmut (pusillanimitas) – „Das ist nichts für mich. Da muss man eine spezielle Gabe von Gott erhalten“.
- Trägheit hinsichtlich der Gebote (torpor circa praecepta) – „Ich tue wirklich das Minimum für mein geistliches Leben oder noch weniger. Es reicht. Gott ist barmherzig!“
Aber leider ist es so, dass man nicht nur weint und trauert, weil man die geistlichen Güter nicht erlangt hat, sondern man bekämpft diese aufs Äußerste und die Menschen, die sie repräsentieren, ebenso. Daher der Hass gegen die „Fundamentalisten“, „rückwärtsgewandten Traditionalisten“ etc., weil sie uns zeigen, dass es doch geht. Und so kommt es zu:
- Groll (rancor), denn man grollt den Frommen,
- Bosheit (malitia), mit der man die geistlichen Güter selbst bekämpft.
Das Letztere ist wirklich interessant und dämonisch, da die Unfrommen nicht nur die Frommen, sondern wirklich Gott selbst hassen und alles, was mit ihm zu tun hat. Die höchste Form der Abscheu (detestatio) vom Heiligen ist die Besessenheit, da die Besessenen, beziehungsweise, die Dämonen, die sich ihrer Körper bedienen, den Kontakt mit etwas Heiligem (Kruzifix, Heiligenbildchen, Gebete etc.) nicht ertragen können.
Aber die Acedia führt auch zu:
- ergötzlichen Äußerlichkeiten (delectabilia exteriora), da sehr viele Priester sich in äußerem, reichhaltigem Ästhetizismus verlieren (Goldbesteck, Barockmadonnen, reiche Gewänder etc.)
- Herumschweifen im Unerlaubten (evagatio circa illicita), womit zuerst unerlaubte Gedanken, die sich noch in der Grauzone befinden, zu rechnen sind, dann kommen unerlaubte Taten, welche diese Zone schon verlassen und dann haben wir die Konkubinen, Konkubenten, Homosexualität, Pädophilie, Kriminalität und vieles, vieles mehr.[7]
IIª-IIae q. 35 a. 4 ad 3
Ad tertium dicendum quod etiam Cassianus, in libro de institutis Coenob., distinguit tristitiam ab acedia, sed convenientius Gregorius acediam tristitiam nominat. Quia sicut supra dictum est, tristitia non est vitium ab aliis distinctum secundum quod aliquis recedit a gravi et laborioso opere, vel secundum quascumque alias causas aliquis tristetur, sed solum secundum quod contristatur de bono divino. Quod pertinet ad rationem acediae, quae intantum convertit ad quietem indebitam inquantum aspernatur bonum divinum. Illa autem quae Isidorus ponit oriri ex tristitia et acedia reducuntur ad ea quae Gregorius ponit. Nam amaritudo, quam ponit Isidorus oriri ex tristitia, est quidam effectus rancoris. Otiositas autem et somnolentia reducuntur ad torporem circa praecepta, circa quae est aliquis otiosus, omnino ea praetermittens et somnolentus, ea negligenter implens. Omnia autem alia quinque quae ponit ex acedia oriri pertinent ad evagationem mentis circa illicita. Quae quidem secundum quod in ipsa arce mentis residet volentis importune ad diversa se diffundere, vocatur importunitas mentis; secundum autem quod pertinet ad cognitivam, dicitur curiositas; quantum autem ad locutionem, dicitur verbositas; quantum autem ad corpus in eodem loco non manens, dicitur inquietudo corporis, quando scilicet aliquis per inordinatos motus membrorum vagationem indicat mentis; quantum autem ad diversa loca, dicitur instabilitas. Vel potest accipi instabilitas secundum mutabilitatem propositi.
Zum dritten Einwand lässt sich sagen, dass auch Kassian, in seinem Liber des institutis coenob., die Acedia von der Trauer unterscheidet, aber dennoch Gregor [der Große] viel treffender Acedia eine gewisse Trauer nennt. Denn wie oben gesagt wurde, ist die Trauer [der Acedia] nicht ein Laster, welches sich von den anderen darin unterscheidet, dass es vor einem schweren und anstrengenden Werk zurückschreckt oder weil sie aufgrund irgendwelcher Gründe traurig gestimmt wird, sondern sie unterscheidet sich darin, dass die Acedia einzig und allein durch das göttliche Gut (bonum divinum) traurig gestimmt wird. Das ist es, was die Acedia ausmacht, dass sie insofern zu der ungebührlichen Ruhe (quietas indebita) sich hinwendet, inwiefern sie das göttliche Gut verachtet. Sie ist es, welche Isidor [von Sevilla] unter die Dinge zählt, welche aus der Traurigkeit herrühren und die Acedia wird darauf [i.e. auf die Traurigkeit] reduziert, wie Gregor angibt. Denn die Bitterkeit (amaritudo), welche Isidor zu den Verhaltensweisen zählt, die aus Traurigkeit herrührt, ist eine gewisse Wirkung des Grolls (rancor). Die Nichtstuerei (otiositas) und Schläfrigkeit (somnolentia) können auf die Trägheit in der Erfüllung der Gebote (torpor circa praecepta) zurückgeführt werden, ihretwegen ist jemand müßig (otiosus), dadurch, dass er ihr [Acedia] alles zubilligt ist er schläfrig (somnolentus), indem er sie nachlässig erfüllt. Alle anderen fünf Dinge, die nach Isidor von der geistigen Trägheit herkommen, beziehen sich auf das Herumschweifen des Geistes im Unerlaubten (evagatio mentis circa illicita).
Das aber in den Tiefen des Geistes sich einfindet, das kann unzugänglich dem Willen sich auf Verschiedenes ergießen, dies wird die Unentschlossenheit des Geistes (importunitas mentis) genannt; [hat sich die Acedia] im Bereich der Erkenntnis [eingenistet], so nennt man sie Neugierde (curiositas); inwiefern sie die Rede betrifft, nennt man sie Geschwätzigkeit (verbositas); inwiefern sie den Körper betrifft, der nicht an einem Ort verbleiben kann, nennt man sie Unruhe des Körpers (inquietudo corporis), da jemand durch die ungeregelte Bewegung der Glieder das Herumschweifen seines Geistes (vagatio mentis) anzeigt; inwiefern diese Verhalten verschieden Orte betrifft, nennt man es Unbeständigkeit (instabilitas) oder man kann die Unbeständigkeit annehmen wegen des Wechselhaftigkeit der Ansichten (mutabilitas propositi).
Wie richtigerweise der hl. Thomas sagt, können sich zwar die von der Acedia befallenen Menschen über vieles freuen und vieles tun, nur das Geistliche stimmt sie traurig und lähmt sie. Der Schreiber dieser Zeilen konnte oft die Reaktion beobachten, dass Menschen, die noch vorher für etwas Feuer und Flammen waren, als das Gespräch aufs Gebet oder geistliche Dinge kam auf einmal wie gelähmt wurden. Die ganze Energie verließ sie und sie wurden von einer starken Benommenheit befallen. Denn Acedia ist die ungebührliche Ruhe (quietas indebita) im Sinne eines Sich-Ausruhens, wo es nicht angebracht ist und zwar nur hinsichtlich der geistigen Dinge. So wird in manchen Gemeinden alles Mögliche veranstaltet außer Eucharistischer Anbetung, Rosenkranz oder Kreuzweg. Dazu finden sich keine Freiwilligen und der Pfarrer ist auch desinteressiert.
Die weiteren Töchter der Acedia, welche hier der Aquinate mit der Aufzählung des Isidors von Sevilla abgleicht, sind:
- Bitterkeit (amaritudo), schauen Sie, wie oft sie verbitterte Geistliche finden,
- Nichtstuerei (otiositas), manche exzellieren in ihr geradezu,
- Schläfrigkeit (somnolentia), ja, irgendwie muss man sich die Zeit auch vertreiben,
- Trägheit in der Erfüllung der Gebote (torpor circa praecepta), womit natürlich die Gebote des geistigen Lebens gemeint sind.
Aber die Acedia, kann sich, wie Krebs, in verschiedenen Vermögen der Seele einnisten und verschiedene Metastasen bilden. Wie zum Beispiel:
- Unentschlossenheit des Geistes (importunitas mentis), wenn sie den Willen befällt, man weiß nicht, ob das eine oder das andere richtig ist. Der Schreiber dieser Zeilen kann an dieser Stelle das Zeugnis ablegen, dass seit er die vorkonziliaren Breviere betet, er viel sicherer in all seinen Entscheidungen ist, was er früher in dieser Art und Weise nicht war. Ebenso schreibt er viel schneller, da das Wissen auf einmal an die richtigen Stellen „springt“.
- Neugierde (curiositas) entsteht dann, wenn die Acedia das Denken befällt. Dabei ist wirklich ein unnützes Wissen gemeint, denn irgendwann muss man auch „Halt“ sagen können. Manche Priester oder Theologieprofessoren haben dermaßen viele intellektuelle Steckenpferde, welche natürlich nichts mit Theologie und geistlichem Leben zu tun haben, dass der Schreiber dieser Zeilen wirklich bezweifelt, ob sie überhaupt schlafen oder dieses Wissen sich wirklich auf einem natürlichen Wegen aneignen konnten. Es ist wirklich alles und nichts, eine Unmenge an Fakten, die genauso beeindruckend wie einschüchternd ist. Da sie intelligent sind, so suchen sie ihren Wissensdurst zu stillen, da sie ungläubig sind, haben sie kein Maß und keine Orientierung. Und so entsteht die Polymathia, ein enzyklopädisches Vielwissen, welches leider steril ist.
- Geschwätzigkeit (verbositas), ist diejenige die Acedia, welche das Sprachvermögen befällt, denn das durch Curiositats angesammelte Wissen muss ja raus.
- Unruhe des Körpers (inquietudo corporis), welche in dem permanenten Reisen oder Herumgehen sichtbar wird, da man ohne innere Orientierung sich buchstäblich keinen Platz oder Ort finden kann,
- Herumschweifen des Geistes (vagatio mentis) wird ja durch die Unruhe des Körpers (inquietudo corporis) angezeigt, denn man hofft von den äußeren Impulsen zu zehren, anstatt die inneren zu suchen,
- Unbeständigkeit (instabilitas) im lokalen und geistlichen Sinne ist die Folge, welche das Gegenteil der benediktinischen Beständigkeit (stabilitas) bildet,
- Wechselhaftigkeit der Ansichten (mutabilitas propositi) oder wörtlich „des Vorgelegten“ ist dann die letzte Folge, wobei wir in der Gegenwart des nachkonziliaren Sowohl-als-Auch, Wenn-aber-jedoch-pastorale-Gründe-dafür-sprechen, was das Ende jeder Logik und somit jeder Verkündigung ist, siehe unsere Bischofsperlen.
Die Töchter (filiae) der Acedia
Auch auf die Gefahr hin uns zu wiederholen, so wollen wir an dieser Stellen nochmals die Töchter (filiae) der Acedia zusammenstellen, um in unserer eigenen Gewissenserforschung zu beobachten, ob und inwiefern wir selbst davon befallen sind. Zwar wird jeder von uns versucht sein zu einer jeden Tochter ein Bild unserer Bekannten beizufügen, aber man ist hauptsächlich für sich selbst verantwortlich, es sei denn man ist Oberer oder Bischof, dann hat man das Nachsehen, da man auch für andere verantwortlich ist.
Die Töchter der Acedia sind nach Gregor dem Großen (Summ. Theol. IIª-IIae q. 35 a. 4 arg. 2) die folgenden:
- Bosheit (malitia)
- Groll (rancor)
- Kleinmütigkeit (pusillanimitas)
- Verzweiflung (desperatio)
- Trägheit hinsichtlich der Gebote also Unterlassung der Pflichtleistungen (torpor circa praecepta)
- Herumschweifen des Geistes im Unerlaubten (vagatio mentis circa illicita)
Ad 1. Bosheit (malitia)
Das lateinische Wort malitia bedeutet tatsächlich „Bosheit“, „Boshaftigkeit“, aber auch „Arglist“, „Tücke“, „Schelmerei“. Aber es bedeutet auch die spitze Zunge, den Sarkasmus, Ironie, das extrem antiklerikale Gerede vieler Kleriker. Es bedeutet auch Zynismus, welcher mit Kleinreden und Schlechtreden von Gutem verbunden ist. Es gibt eine Art intellektuellen Witz, welcher zwar recht geistreich aber auch sehr verletzend sein kann. Sehr viele Geistliche exzellieren darin. Hauptsächlich auf den Universitäten und in den Ordinariaten.
Ad 2. Groll (rancor)
Ja, ja der Groll aufgrund der Nichtbeförderung, des Nichtaufstiegs, der „Strukturen“, der „Kirche“ etc. Manchmal sehr innerlich und dennoch alles zersetzend. Sicherlich wird es immer vorkommen, dass uns andere ungerecht behandeln und es mit voller Absicht tun uns zu verletzen oder wirklich fertig zu machen. Aber man soll stolz sein, dass man etwas zu leiden hat und dieses Leiden, denn es ist wirklich Leiden, Gott aufopfern. So wird der Teufel, der dahinter steckt besiegt und wir werden geheiligt. Also eigentlich je mehr, desto besser. Erfahrungsgemäß hören diese Handlungen dann auf, wenn man anfängt sie als die Mittel der eigenen Heiligung zu betrachten. Warum? Weil sich der Teufel entdeckt sieht und seine Strategie ändert.
Ad 3. Kleinmütigkeit (pusillanimitas)
Ja, ja, das ewig weinerliche, klerikale Herumjammern. Es geht nicht, man, d.h. „ich“, kann nicht, denn das Konzil, die Kirche, die Säkularisierung, diese Leute etc. Man gibt auf und wirft die Flinte ins Korn und der Teufel freut sich.
Ad 4. Verzweiflung (desperatio)
Wir haben bereits darüber geschrieben. Alles verloren, der Antichrist steht vor der Tür, wie der Russe damals und er klopft an. Der Untergang ist nahe, das eigene Leben sinnlos verplempert. Diese Grundhaltung ist leider recht oft bei den Gläubigen und Priestern der Piusbruderschaft anzutreffen, was leider dafür spricht, dass das kanonisch Irreguläre das Spirituelle zum Nachteil beeinflusst.
Ad 5. Trägheit hinsichtlich der Gebote also Unterlassung der Pflichtleistungen (torpor circa praecepta)
Ja, man sollte doch so Vieles, aber man tut es nicht. Denn, keine Lust es nützt alles nichts. Keine Beachtung der Rubriken, der Verpflichtungen des Klerikerstandes oder des Ordensstandes und wenn es niemand sieht, dann ist es ja erst recht egal.
Ad 6. Herumschweifen des Geistes im Unerlaubten (vagatio mentis circa illicita)
Die Gedanken, welche nicht um Gott kreisen, müssen einen anderen Interessensschwerpunkt finden. Dies sind meistens die Frauen, das eigene Wohlergehen, das sich Einrichten, das Erwecken eines guten Eindrucks. Zuerst schweifen die Gedanken, dann folgen die Taten. Immer dieselben.
Sollte jemand von uns die Punkte (1) bis (6) bei sich entdecken, so bedeutet es, dass er einfach zu wenig betet. Dann wird es besser und zwar von selbst.
Aber lesen wir die Punkte vom Isidor von Sevillia (Summ. Theol. IIª-IIae q. 35 a. 4 arg. 3), den der hl. Thomas anführt, welche wir bereits oben kommentiert haben. Die Töchter der Acedia sind:
- Nichtstuerei (otiositas),
- Schläfrigkeit (somnolentia)
- Unbeständigkeit des Geistes (importunitas mentis)
- Unruhe des Körpers (inquietudo corporis),
- Geschwätzigkeit (verbositas)
- Neugierde (curiositas)
- Unentschlossenheit des Geistes (instabilitas)
Noch Fragen? Während aber die Punkte (1) und (2) von Isidor tatsächlich ein Nichtstun darstellen, zeigen die übrigen durchaus eine Aktivität, welche daher resultiert, dass man die eigentliche geistliche Arbeit, denn es ist schon Arbeit und Mühe, was wenigstens die wenigen Bußpsalmen-Beter bestätigen können, nicht verrichtet. Die Punkte oder die Töchter (3) bis (7) sind einerseits die geistlichen faking moves, von welchen schon die Rede war,[8] andererseits scheint es sich dabei um ein Überschäumen der Lebensenergie zu handeln, welche falsch eingesetzt wird. Denn betet man laut 50 Psalmen an einem Tag, was durchaus an einem Sonntag mit dem Officium vom Sonntag beim Tridentinischen Brevier der Fall ist, von den vielen, langen geistlichen Lesungen ganz zu schweigen, so hat man wirklich keine intellektuelle Neugierde (curiositas) mehr, denn man ist wirklich ausgelastet. Der Schreiber dieser Zeilen war immer wieder erstaunt, welche hobbystische Steckenpferde doch viele Geistlichen reiten und fragte sich, wie sie intellektuell aufnahmefähig dafür bleiben. Die Antwort ist einfach: “Weil sie sonst nichts tun!” Die geistige Trägheit trägt ihre Früchte.
Zusammenfassen lässt sich zu unserer Reihe über die Acedia sagen, dass diese Fehlhaltungen und Sünden nicht nur kirchenrechtlich definierte Geistliche betreffen, die wir kirchensteuerrechtlich finanzieren, sondern wirklich alle Menschen, auch Laien, welche ein geistliches Leben pflegen oder anstreben.Bei den Geistlichen kommt die Acedia, was die Wüstenväter schon wußten, einfach deswegen öfters vor, weil die allermeisten Laien überhaupt kein geistliches Leben pflegen und was man nicht pflegt, kann man nicht meiden. Oder haben Sie als ein Nicht-Golfer technische Probleme beim Putten? Nein, weil Sie kein Golf spielen. Es bleibt wirklich festzuhalten, dass Geistliche beruflich und professionel fromm zu sein haben. Das ist ihre Standespflicht und Frömmigkeit kommt vom Gebet. Dennoch beten muss jeder nur in einem verschiedenen Zeitmaß. Ein Laie kann sich immer damit entschuldigen, dass er es nicht muss, aber er muss es doch und wenn er, so hoffen wir, wenigstens im Fegefeuer landet, dann wird er realisieren können, was er alles aus Faulheit verwirkt hat. Denn all das, was wir jetzt wichtig nehmen: Karriere, Familie, Geld, Politik etc. hat bei Gott und im Himmel überhaupt keine Bedeutung. All diese Dinge sollen, wie Fitnessgeräte, uns lediglich dazu dienen diejenige Heiligkeit bei uns herauszuarbeiten, die Gott von uns fordert, denn das Maß bestimmt Gott allein. Da nicht einmal unsere Bischöfe oder Priester ein geistliches Leben führen und sich geistige Ziele setzen, so wird es nirgends verkündet, denn man müsste mit der Frage rechnen: „Und wie ist es bei Ihnen?“ Daher gehen ja leider so viele Seelen in die Hölle oder sie landen für lange Zeit im schweren Fegefeuer, weil sie ja nicht das angesammelt haben, was wirklich bei Gott zählt. In der Stunde des persönlichen Gerichts wird all das Unnütze wie Stroh verbrennen und es bleiben nur die Edelmetalle, falls vorhanden, des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, samt der Tugenden. Da Gott ein „verzehrendes Feuer“ (Hebr 12,29) ist, so wird nur bei ihm das Bestand haben, was wenigstens metallisch mit einem hohen Siedepunkt ist, denn die Edelmetalle haben einen höheren Siedepunkt als die unedlen Metalle. Und so muss man auch die folgende Paulusstelle lesen (1 Kor 3, 12-15), welche in der kirchlichen Tradition als ein Bild des Fegefeuers und des Gerichts nach dem Tode gelesen wurde:
Ob aber jemand auf dem Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut: das Werk eines jeden wird offenbar werden; jener Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch. (1 Kor 3, 12-15)
Aber das Gute ist, dass man seine Heiligung nicht alleine vollbringen muss, sondern durch die Mitarbeit mit Gott und seiner Gnade, welcher wir durch das Gebet und die Sakramente teilhaftig werden. Aber beten kann man immer, zu den Sakramenten, falls sie stattfinden, muss man hingehen. Und deswegen die Wichtigkeit des Gebets. Wenn wir qualitativ, also mit den vorkonziliaren Brevieren, am besten mit dem Tridentinischen Brevier, beten, so werden wir quasi erleuchtet und bestärkt, sodass wir Vieles wirklich im göttlichen Licht sehen und verstehen können. Wir bekommen auch die Kraft es zu vollbringen. Aber das liturgische Gebet des Offiziums ist nicht nur persönliche Heiligung, sondern eine Leistung, welche man für die Kirche und durch diese für die Welt darbringt. Denn dies ist er eigentliche Sinn des Breviergebetes, dass die betenden Stände der Kirche die Gnade Gottes auf die Welt herabrufen. Dass sie es mit dem neuen Brevier seit 1970 kaum tun, ist offensichtlich, sonst wären die Kirche und die Geistlichkeit in einer besseren Verfassung. Sollten uns hier Priester und Ordensleute lesen, so hilft ihnen ein Umdenken:
- Das Gebet, vor allem das lateinische und vorkonziliare, wirkt wirklich,
- Ich bringe es für die Kirche und die Welt dar, denn jemand muss ja.
Die Wirkung an sich selbst wird man nach und nach erleben, die Wirkungen unserer Gebete für die Kirche, werden wir spätestens in unserer Todesstunde sehen, vielleicht auch zu Lebzeiten. Und damit uns bei unserem Vorhaben die Acedia nicht stört, daher veröffentlichten wir diese Reihe.
[1] https://traditionundglauben.com/2016/01/01/acedia-oder-zu-faul-uber-die-geistige-tragheit-4-acedia-als-laster-was-ist-ein-laster/
[2] http://www.zahn-zahnarzt-berlin.de/zahnschmerzen/zahnentzuendung/
[3] Siehe https://traditionundglauben.com/2015/12/22/verpflichtung-zur-vervollkommnung-oder-perfektionismus-ist-etwas-gutes/
[4] Hier einzusehen: http://www.unifr.ch/bkv/summa/kapitel551-4.htm
[5] http://www.philosophie-woerterbuch.de/online-woerterbuch/?title=Causa%20finalis&tx_gbwbphilosophie_main%5Bentry%5D=181&tx_gbwbphilosophie_main%5Baction%5D=show&tx_gbwbphilosophie_main%5Bcontroller%5D=Lexicon&cHash=55e7205bdeef50e49dcd4938ede98258
[6] http://www.brainyquote.com/quotes/quotes/a/aldoushuxl161879.html
[7] Ein Beispiel dieses Niedergangs findet sich hier: http://www.katholisches.info/2015/10/09/schweigen-foerdert-die-homohaeresie-neuer-homo-skandal-in-rom/
[8] https://traditionundglauben.com/2015/12/29/acedia-oder-zu-faul-uber-die-geistige-tragheit-2/
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