Tradition und Glauben

Carol Byrne, Dialogmesse (96.1 von 110). Der Aufstieg einer unglaublichen Anti-Loreto-Legende

Das Haus von Loreto und protestantische Argumente
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Nachdem nun die Überführung des Heiligen Hauses von Nazareth zu seinem endgültigen Bestimmungsort in Loreto auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage festgestellt wurde, stellt sich als nächstes die Frage, wie es an seinen Bestimmungsort gelangte. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: durch göttliches Eingreifen (die beständige Tradition aus dem XIII Jhdt.) oder durch irgendeine Form von menschlichem Handeln allein (eine Erklärung, die auf dem Naturalismus basiert, der göttliches Eingreifen ablehnt oder zumindest missachtet).

Antikatholische Polemik nach der Reformation

Der Ausdruck „fliegendes Haus“, wie er von verschiedenen religiösen Skeptikern verwendet wird, erweckt den Eindruck, dass die Loreto-Tradition lediglich eine im Mittelalter erfundene Fantasie war, die mit Geschichten aus der russischen Folklore oder Tausendundeiner Nacht vergleichbar ist und von Menschen geglaubt werden sollte. Der Realitätsbezug ist, gelinde gesagt, dürftig. Seit dem XVI. Jhdt. hat sich die Annahme durchgesetzt, dass der Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten in Bezug auf Wunder dem Unterschied zwischen Phantasten und Realisten gleichkommt.

Basilika von Loreto, erbaut zum Schutz des Heiligen Hauses

Aus diesem Grund bezeichnete Dekan Stanley Loreto als

„die unglaublichste aller kirchlichen Legenden“[1]

und behauptete getreu der protestantischen Tradition, dass der Glaube an die wundersame Übertragung des Heiligen Hauses von Loreto das Produkt

„der abergläubischen Sehnsucht sei den Vorzug des Gebets an einem geweihten Ort zu gewinnen.“[2] 

Diese Breitseite gegen die katholische Kirche wäre von geringem Interesse, wenn sie nicht seine vorgefasste Meinung offenlegte. Denn der Protestantismus lehnte die Existenz bestimmter Orte wie Loreto, Lourdes, Fatima usw. als Ort von Wundern ab, die auf Fürsprache Unserer Lieben Frau und der Heiligen als Reaktion auf Gebete, Gelübde und Versprechen der Gläubigen gewährt wurden.



Es war auch ein von protestantischen Theologen der Pseudoreformation gelehrtes Gebot, dass Wunder mit dem letzten Buch der Bibel aufgehört hätten. Und so folgerten sie aus diesem willkürlichen Prinzip, dass jeder Anspruch der katholischen Kirche, Wunder zu beglaubigen, eine „päpstliche“ Erfindung sei, die darauf abzielte, die Gläubigen zu täuschen. Wenn man es auf die Loreto-Tradition anwendet, muss der Protestantismus zu dem Schluss kommen, dass Katholiken, die an die wundersame Übertragung des Heiligen Hauses glaubten, übermäßig leichtgläubig sind, weil ein solches Ereignis buchstäblich unmöglich ist.

Ein Dokument aus dem Jahr 1778, das eine Reliquie beglaubigt, die an den Wänden des Heiligen Hauses befestigt wurde

Aber das Argument der Ungläubigkeit ist ein logischer Trugschluss von der Art, wie er auftritt, wenn wir entscheiden, dass etwas nicht passiert ist, weil wir nicht persönlich einsehen können, wie es passieren könnte, weil es nicht zu unserem Verständnis der Welt passt. Der Irrtum liegt in der ungerechtfertigten Schlussfolgerung, die bereits in der Prämisse enthalten ist. Wenn man sich einen Sachverhalt (das Wunder des Heiligen Hauses) nicht vorstellen kann, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass er falsch ist; es kann nur bedeuten, dass unsere menschliche Vorstellungskraft begrenzt ist. Dies gilt insbesondere im Bereich des göttlichen Eingreifens in die natürliche Welt.


Was die negativen Reaktionen auf päpstlich anerkannte, auf der Tradition beruhende Wunder betrifft, wie wir gesehen haben, dass manche Menschen, für die ein wundersamer Eingriff [Gottes in die Wirklichkeit] Gegenstand ständiger Verachtung ist, Wunder instinktiv ablehnen, einfach weil sie eine ideologische Voreingenommenheit, eine apriorische Position oder eine Befangenheit dagegen haben. Für den Skeptiker auf diesem Gebiet wäre Hamlets Aussage eine passende Erwiderung:

„Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, Horatio, als in deinen Philosophien geträumt wird.“   

Unter dem Einfluss des Progressivismus in der Kirche begann sich ab Mitte des 20. Jahrhunderts die offizielle Position zur Übertragung des Heiligen Hauses zu ändern und jede übernatürliche Erklärung [dieses Phänomens] herunterzuspielen. Dies war übrigens einer der Gründe, warum das Fest Unserer Lieben Frau von Loreto 1960 – aus katholischer Sicht unerklärlicherweise – abgeschafft wurde.

Fr. Giuseppe Santarelli

Pater Giuseppe Santarelli OFM, der Direktor der Universalkongregation des Heiligen Hauses, gilt heute aufgrund seiner umfangreichen Schriften als die maßgeblichste Stimme zum Heiligen Haus. Das einzige Problem besteht darin, dass er nicht an die übernatürliche Natur der Übertragung glaubt. Während er den wissenschaftlichen Beweis, dass die Materialien des Heiligen Hauses aus Nazareth stammten, ohne Frage akzeptierte, schreckte er vor der Idee eines wundersamen Transports zurück, als es um die Art ihrer Beförderung nach Loreto ging.



Er wich von der 800 Jahre alten Tradition ab, die von aufeinanderfolgenden Päpsten bestätigt wurde, dass das Heilige Haus von Engeln zu seiner letzten Ruhestätte in Loreto getragen wurde, und vertrat eine profanere Erklärung. Aber wenn wir die „Beweise“ für diese nicht wundersamen Behauptungen untersuchen, werden wir feststellen, dass sie nicht nur nicht schlüssig sind, sondern auch erheblich mehr Glauben (blinder Art) erfordern, um sie zu akzeptieren, als die völlig vernünftige Tradition der Engelsbeförderung.


[1] A. P. Stanley, Sinai and Palestine, s. 448.

[2] Ebenda, s. 443. 

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