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Wo ist der vierte Tag oder Oktave oder die Macht der Rubriken
Bevor wir hier unsere Lesung fortsetzen, wird sich einigen von uns sicherlich die Frage stellen, was mit dem vierten Tag der Oktave passiert ist, da zuletzt die Texte des dritten Tages der Oktave gelesen wurden. Die simple Antwort lautet: den vierten Tag gibt es nicht. Warum? Weil in der Zeit der Oktave der Unbefleckten Empfängnis, also zwischen dem 8.12 bis 15. 12, nicht nur sehr wichtige Heiligenfeste fallen, welche immer in der Kirche feierlich begangen wurden, sondern auch der dritte Adventsonntag fällt. Da jedes neu eingeführte Fest, wie das der Unbefleckten Empfängnis eine Art Neuordnung des liturgischen Kalenders nach sich zog, so entstand mit der Zeit die theologische Disziplin der Rubrizistik, von lat. rubrum – “rot”, in welcher nicht nur angegeben wurde, wie zu zelebrieren sei, sondern auch welches Fest das wichtigere sei und warum. Ohne an dieser Stelle ins Detail zu gehen, lässt sich zum Letzteren sagen, dass man hierzu in entsprechende Tabellen zu schauen hat, um zu wissen, welches Fest und welche Oktave über- oder untergeordnet ist. Denn es gibt sowohl bei den Festen als auch bei den Oktaven Hierarchien. Je wichtiger ein Fest ist, z. B. Ostern oder Weihnachten, umso weniger darf es verschoben werden oder in der dazugehörigen Oktave darf etwas dazwischen kommen. Die Rubriken sagen auch, was zu tun ist, wenn Kalender bedingt zwei Feste zusammenfallen, welches dann einer translatio also “Verschiebung” unterliegt und welches nicht. Natürlich gibt es verschiedene Rubriken zu verschiedenen Brevieren:
- das Tridentinische Brevier (1570-1910) hat eigene Rubriken,
- das Divino afflatu des Pius. X von 1911 hat eigene Rubriken,
- das Pianische Brevier von 1955 hat eigene Rubriken,
- das Brevier des Johannes XXIII. von 1960 hat eigene Rubriken.
Das Wort “Rubrizistik” wurde in der postkonziliaren Kirche zu einem Reizwort und es war schon Reizwort bei der älteren, vorkonziliaren Priestergeneration. Der Schreiber dieser Zeilen hörte während seines Theologiestudium mehr als einmal ein Stöhnen und Jammer über den vorkonziliaren Rubrizismus, eine l’art pour l’art, die unnötig das Leben erschwert. Er ist noch nicht in der Lage aus dem Stegreif alle rubrizistischen Veränderungen aller Brevier zu nennen, aber diese Beschwerden seiner priesterlichen Professoren zeugten von ihrem extremen Übelwollen, denn die Rubriken zu lernen ist nicht viel schwieriger als sich in einem schwierigeren Busfahrplan zurecht zu finden. Ein bisschen Mühe erfordert es schon, aber wirklich keine Hochbegabung.
Das eigentliche Problem bestand wohl darin, dass seit 1911 permanent an den Rubriken etwas geschraubt und verändert wurde, sodass ein Geistlicher, der lange genug lebte, innerhalb seines Lebens wenigstens drei Breviere mit drei Rubriken lernen musste. Nicht das Lernen war aber das Problem, sondern das Fehlen der Beständigkeit und des Rhythmus. Wenn jemand aber wirklich lange lebte, sagen wird zwischen 90 und 100 Jahre, so hatte er das Pech alle vier Breviere, auch das nachkonziliare erlebt haben zu müssen.
Nehmen wir an jemand, der 1892 geboren und mit 16 in ein Kleines Seminar eintrat (was unter 16 wohl auch noch möglich war) oder ein Kloster eintrat, der konnte tatsächlich alle vier Breviere kennenlernen:
- mit 16 Jahren das Tridentinische Brevier im Jahre 1908,
- mit 20 Jahren das Divino afflatu Brevier im Jahre 1912 (ein Jahr Verspätung für die Neuauflage dazugerechnet, ab 1. Januar 1913 wurde dieses Brevier für alle verpflichtend),
- mit 64 Jahren das Pianische Brevier im Jahre 1956 (ebenfalls ein Jahr für die Umstellung),
- mit 69 Jahren das Brevier des Johannes XXIII. im Jahre 1961,
- mit 79 Jahren das nachkonziliare Stundenbuch im Jahre 1971.
Was muss doch solch ein Mann für Qualen ausgestanden haben und sich immer wieder gefragt haben:
Warum wieder eine Änderung?
Viele Geistliche oder Ordensleute kauften sich aus Sparsamkeits- oder Armutsgründen keine neuen Breviere, sondern strichen in dem Brevier Divino afflatu “das Unnötige” zusammen, denn das Tridentinische Brevier war ganz anders geordnet und man brauchte ab Divino afflatu tatsächlich ein Neues. Der Schreiber dieser Zeilen ist im Besitz von drei karmelitanischen Brevieren Divino afflatu aus dem Jahre 1942, welche einer französischen Karmelitin gehört haben. Da darin ein Heiligenbild mit 60 Jahren Ordensjubiläum aus den 1960-gern vorhanden ist, so geht er davon aus, dass es der Besitzerin gehörte. Man sieht das liebevolle Zusammenstreichen der Texte, um der Kirche gehorsam zu sein, aber irgendwie scheint durch diese Seiten die immer größer werdende Resignation und innere Verödung durch. Der Schreiber dieser Zeilen weiß nicht, wann diese Ordensschwester gestorben ist. Vielleicht hat sie das nachkonziliare Brevier auch mitgemacht. Sie musste den Verfall der Kirche nach dem Konzil erleben, den Verfall ihres eigenen Ordens, vielleicht den Abgang ihrer Mitschwestern. Es muss schrecklich gewesen sein. Immer weniger geistliche Nahrung, immer mehr Verödung. Dann kamen die nachkonziliaren Ordensreformen, welche die Ordenshäuser leerfegten. Und alles begann mit der Brevierreform des Pius X., welche dazu dienen sollte die Rubriken zu vereinfachen. Tja, so kann es gehen. Aber lassen wird uns nicht entmutigen, sondern beten und lesen fleißig weiter. Auch die Vergangenheit haben wir keinen Einfluß, aber auf die Gegenwart und Zukunft.
5. Tag der Oktave
Wir setzen unsere Lektüre der Lesungen der zweiten Lectio des alten Breviers fort mit den Teilen der dogmatischen Bulle Ineffabilis Deus (1854) von Pius IX, mit welcher die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis dogmatisiert wurde.
Lesung 4
Weil das, was zum Gottesdienst gehört, in inniger Verbindung mit seinem Gegenstand steht und nicht Bestand haben kann, wenn der Gegenstand ungewiß und zweifelhaft ist, deshalb haben Unsere Vorgänger, die Päpste, mit allem Eifer die Andacht zur Empfängnis gefördert und sich angelegentlichst bemüht, ihren Gegenstand und ihren Inhalt zu erklären und den Gläubigen einzuprägen. Sie haben klar und deutlich gelehrt, daß das Fest die Empfängnis der Jungfrau zum Gegenstand habe, und sie haben als falsch und mit der Meinung der Kirche unvereinbar die Ansicht jener zurückgewiesen, die meinten und behaupteten, daß nicht die Empfängnis selbst, sondern nur die Heiligung von der Kirche gefeiert werde.
Lesung 5
Nicht weniger streng gingen sie gegen jene vor, die zur Abschwächung der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau einen Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Augenblick machten und behaupteten, es werde zwar die Empfängnis gefeiert, aber nicht die, welche im ersten Augenblick erfolgte. So haben es Unsere Vorgänger als ihre Aufgabe betrachtet, das Fest der Empfängnis der allerseligsten Jungfrau und ihrer Empfängnis vom ersten Augenblick an als den wahren Gegenstand der Verehrung mit allem Eifer in Schutz zu nehmen und zu verteidigen. Darum sprach Unser Vorgänger Alexander VII. die geradezu entscheidenden Worte, und er brachte damit die richtige Auffassung der Kirche zum Ausdruck: „Von altersher ist es die fromme Meinung der Christgläubigen, daß die Seele der allerseligsten Jungfrau und Mutter Maria im ersten Augenblick ihrer Erschaffung und ihrer Vereinigung mit dem Leib auf Grund einer besonderen Gnade Gottes und eines besonderen Vorzuges im Hinblick auf die Verdienste ihres Sohnes Jesus Christus, des Erlösers des Menschengeschlechtes, von aller Makel der Erbsünde rein bewahrt wurde; in diesem Sinne begeht man in feierlicher Weise das Fest ihrer Empfängnis.“
Lesung 6
Vor allem betrachteten es Unsere Vorgänger als ihre heilige Pflicht, die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter mit aller Sorgfalt, mit Eifer und Entschiedenheit unversehrt zu bewahren. So haben sie in keiner Weise geduldet, daß die Lehre selbst von jemandem irgendwie angegriffen oder lächerlich gemacht wurde. Ja, sie sind noch viel weiter gegangen und haben zu wiederholten Malen ganz deutlich erklärt und verkündet, die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau stimme voll und ganz mit den Andachtsformen der Kirche überein, sie sei altehrwürdig und fast allgemein verbreitet, die Römische Kirche habe es sich zur Aufgabe gesetzt, sie zu fördern und zu schützen, ja sie verdiene es wirklich, in der heiligen Liturgie und bei feierlichen Bittandachten erwähnt zu werden. Und damit nicht zufrieden, haben sie, damit die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau selbst unangetastet bleibe, strengstens verboten, die entgegengesetzte Ansicht öffentlich oder geheim zu verteidigen, und haben erklärt, sie sei aus verschiedenen Gründen unhaltbar. Damit aber diese wiederholten und offenkundigen Erklärungen nicht als unwirksam angesehen werden, gaben sie ihnen auch die nötige Sanktion bei.
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