
Bevor wir zu den Texten von Pater Augustin Poulain SJ fortschreiten, soll an dieser Stelle eine kurze Einführung in die vier Stufen des Gebetes erfolgen. Diese sind:
- Lectio – die Lesung,
- Meditatio – die Betrachtung,
- Oratio – das Gebet der Einfachheit, bzw. das Gebet der Ruhe und
- Contemplatio – die Beschauung.
Gibt es etwas auf dieser Welt, was man mit einem Gebetserlebnis vergleichen könnte, so ist es sicherlich das Surfen, d.h. das Wellenreiten.
Ad (1) Lectio als Anpaddeln
Die Stufe der Lectio ist gut mit dem Anpaddeln vergleichbar, bei welchem man auf dem Surfbrett, der Lesung, liegend sich anstrengen muss, um zu der kommenden Welle, der Gnade, zu schwimmen. Dies ist der anstrengendste Teil des Surfens. Ebenso muss man in Gebetsleben recht viele Texte laut rezitierend beten, um zum weiteren Teilen fortschreiten zu können.
Ad (2) Meditatio als Take off
Nach dem wir die Welle oder den günstigsten Punkt auf dem Wasser, um auf sie zu warten, erreicht haben, soll der eigentlich schwierigste Teil, wenigstens für den Anfänger, erfolgen. Dies ist das so genannte Take off, d.h. das Aufstehen und das Stehenbleiben auf dem Brett. Was sehr schön und einfach auf Fotos und auf Filmen aussieht, ist in der Wirklichkeit recht schwierig und gelingt den Ausdauerndsten nach vielen, vielen, wirklich vielen Versuchen, die immer mit einem erneuten Anpaddeln beginnen. Das ständige Anpaddeln-Müssen ist auch der Grund dafür, warum Surfer so athletisch und durchtrainiert sind, weil das ständige zur Welle kommen einfach sehr anstrengend ist.
Bei dem Take off ist zu bedenken, dass alles in Bewegung ist: das Meer, die Welle, das Brett und der Surfer. Daher enden zuerst zehn auf zehn Versuche mit einem Sturz, dem Untertauchen, dem Nachschauen, wo das Brett geblieben ist, welches sich oft selbstständig macht und den Surfer mit einem Schlag von hinten oft und gerne heimtückisch überrascht und dem erneuten Anpaddeln. Im Gebetsleben ist diese Etappe mit der Betrachtung vergleichbar, bei der wir unseren Geist und unsere Affekte bewusst und gewollt auf die gelesene Schriftlesung konzentrieren sollen, um daraus den geistlichen Nutzen zu ziehen. Wie es bei den Surfern Menschen mit verschiedenen Anlagen gibt, welche das eine besser und das andere schlechter meistern, so haben auch viele Menschen verschiedene Probleme beim Gebet der Betrachtung. Manche können sich schlechter konzentrieren, manche sind ständig abgelenkt, manche betrachten die Betrachtung als eine wissenschaftliche Studie, was man nicht tun sollte, andere wiederum haben Probleme bestimmte Affekte zu erwecken oder zu beherrschen, schließlich gibt es welche, die das Gelesene auf ihr Gebetsleben und allgemeines
christliches Leben nur schwer übertragen können. Es bleibt nur viel Übung, Geduld und Treue.
Ad (3) Oratio als Wellenreiten
Nachdem man beim Surfen das beschwerliche Take off bewältigt hat, erfolgt die Belohnung im eigentlichen Surfen, welches uns alle vorangegangenen Mühen vergessen lässt. Man gleitet tatsächlich mit verschiedener Geschwindigkeit über das Wasser, mit ein wenig Erfahrung richtet man sich nach der Welle und wird von dieser gelenkt, geleitet und getragen. In Gebetsleben ist dieser Zustand das Gebet der Ruhe auch das Gebet der Einfachheit (Oratio) genannt, in welcher es Gott selbst ist, der an uns und in uns wirkt. Dieses Gebet ist die erste Art der mystischen Erfahrung. Pater Poulain beschreibt es gründlich, kompetent und gelehrt auf vielen Seiten und deswegen wollen wir dem hier nicht vorgreifen.
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Ad (4) Contemplatio als Elevationen


Die höchste Stufe des Surfens sind Sprünge, Kunststücke und andere Elevationen, wie das berühmte durch einen Wassertunnel fahren. Diese Fähigkeiten werden von wenigen Surfern beherrscht, obwohl sie auf Filmen und Fotos so schön anzuschauen sind. Der Surfer wird gleichsam selbst zu einem Teil der Welle, ohne seine menschliche Identität aufzugeben. Mensch bleibt Mensch, Wasser bleibt Wasser. Die letzte Stufe der Gebetserfahrung ist das Gebet der Beschauung, bzw. Anschauung (Contemplatio), in welcher man Gott und die göttlichen Geheimnisse gleichsam „schaut“ oder geistlich vernimmt. Es ist die tatsächliche Einwohnung Gottes in der Seele, welche als reine Gnade ist und welche wenigen Menschen zuteilwurde oder zuteilwird. Auch darauf Pater Poulain SJ zurückkommen und diese Stufe eingehend beschreiben.
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