
Die Auswertung der Leserumfrage machte uns klar, dass unser deutschsprachige Leser, über den wir uns sehr freuen, vielmehr am geistlichen Leben als an der Kirchenkrise interessiert ist, da er die Letztere auch ohne uns ständig vor Augen hat. Wir wollen also das Eine tun, ohne das Andere lassen zu wollen, d.h. die katholische Theologie in ihren verschiedenen Fachgebieten, so gut es uns möglich ist, präsentieren, sozusagen als das Gegengift gegen die Kirchenkrise, über die wir auch ab und zu berichten werden. Es ist auch recht mühevoll ständig, wie der Prophet Jeremias, rufen zu müssen: “Iniquitas et vastitas – Sünde und Ruin! ” (vgl. Jer 20,8)
Daher wollen wir hier neben der notwendigen Einleitung ein weiteres Meisterwerk des Geistlichen Lebens und zwar Die Fülle der Gnaden von Pater Augustin Poulain SJ aus dem Jahre 1901 Lesern abschnittsweise unseren Lesern vorstellen. Die Einleitung, der Text von Pater Poulain SJ, die Fragmente von Kard. Bona und eventuell andere Beiträge sollen abwechselnd erfolgen. Da wir leider nicht in der Lage sind diesem Blog mehr Zeit zu opfern, daher werden wir mehrere kleinere Einträge veröffentlichen, um innerhalb der nächsten Zeit wenigstens einen Eintrag am Tag präsentieren zu können. Fürwahr alles ist Stückwerk.
Das kontemplative und das tätige Leben oder Maria und Martha
Liest man die mystische Literatur, derer metaphysisches Gerüst der Neuplatonismus bildet, eine Philosophie, die logisch und theologisch das herausgehen der Vielheit aus der Einheit deutet, so trifft man darin oft die Exegese der Geschichte von Maria und Martha (Lk 10, 38-42). Maria hat ja im Gegensatz zu Martha „das Eine“ (unum) gewählt (Lk 10, 42), wobei das Eine (unum) für Gott – die absolute Einheit (Unum) – steht, welche die Existenzgrundlage und die Möglichkeit für alle nachfolgende Vielheit bietet. Diese Gedankengänge der nicht pantheistisch gemeinten „Vereinheitlichung mit Gott“ sind nicht nur bei den griechischen Kirchenvätern und bei dem nachfolgenden Maximus Confessor zu finden. Sie wurden auch von Eriugena, Meister Eckhardt und Johannes Tauler übernommen, wobei leider Eriugena und Meister Eckhardt die Pfade der Orthodoxie verlassen haben. Alle aber der genannten Autoren gehen darin zurecht und rechtgläubig überein, dass das Eine (unum), das Maria gewählt hat, für das geistliche, das kontemplative Leben steht, während Martha das tätige Leben und somit für das Viele (multum) repräsentiert. Somit „tut das Eine Not“, was bedeutet, dass das geistliche Leben, im Sinne eines Gebetslebens und eines asketischen Lebens, Not tut.
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An dieser Stelle würde ein, nennen wir ihn einfach, politisch-theologisch korrekter Autor betonen, dass er – um Gottes willen – nie, niemals und nimmer damit eine Abwertung des tätigen Lebens meine, wie es beispielsweise die vielen, vielen, tapferen Frauen in den tätigen Orden führen, die liebenden Mütter, von den allein erziehenden Müttern ganz zu schweigen, vorleben, die Arbeiter in den Fabriken leisten, die Arbeitslosen, die Menschen in der Dritten Welt et cetera et cetera führen, um wirklich auch alle mit dieser Aussage zu bedienen und um niemanden auszuschließen. In Gegensatz dazu meint der Schreiber dieser Zeilen, dass das kontemplative Leben tatsächlich höher als das tätige Leben steht, was auch von der Theologie und dem Lehramt immer so gesehen worden ist.
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