
Sicherlich würde es sich lohnen bei dem heutigen, inflationären Gebrauch der Begriffe „Meditation“ und „meditieren“ die katholisch-aufgefasste Meditation, sprich Betrachtung, von allen Fällen der östlichen und esoterischen Meditationsarten abzugrenzen. Wahrscheinlich hatte dies schon jemand getan und wir wollen uns auch diesem Thema irgendwann in der Zukunft gründlich widmen. An dieser Stelle soll aber eine wirklich nur grundlegende und verkürzte Sicht der katholischen Auffassung von Meditation erfolgen. Um ganz kurz auf den eventuelle Frage zu antworten, ob Christen nichts von den fernöstlichen Meditation lernen können, antworten wir kurz: „Nein, sie können es nicht.” Denn diesen, d.h. den östlichen Meditationen, liegt ein ganz anderes Gottesbild und Menschenbild zu Grunde. Ich wähle ja auch andere Reisemittel und Reisekleidung, wenn ich nach Alaska oder nach Tunesien fahre. Da das Ziel eines jeglichen Gebetes der Kontakt mit Gott, der Gottheit, dem Übernatürlichen ist, so hängt die Gebetsweise selbstredend von der Sicht der Gottheit ab. Hätten aber alle Religionen dieselbe Sicht Gottes/Gottheit/des Übernatürlichen so gäbe es nur die eine Religion. Daher ist es nur selbstverständlich, dass verschiedene Gebetspraktiken zu einer verschiedener Sicht Gottes führen oder führen können. Die lange Geschichte der christlichen Spiritualität, Mystik oder Aszetik erzählt diese Geschichte. So wirkt sich sowohl eine häretische Sicht Gottes auf das Gebetsleben aus (Gnostiker, Protestanten, Charismatiker), wie auch eine verkehrte Gebetspraxis (siehe Quietismus) langfristig ein falsches Gottesbild entwickelt.
Es stimmt tatsächlich, dass alle Christen, Katholiken oder Ordensleute, die sich längere Zeit mit der fernöstlichen Meditationen befassten und sie einübten, nach und nach ihre christliche, katholische Identität und Ordensidentität sowie ihren Glauben verloren und manche zu Zen-Buddisten, Atheisten, Okkultisten oder Esoteriker wurden. Man könnte in diesem Kontext einige Namen von Ex-oder Noch-Jesuiten oder Dominikanern anführen. Daher ist festzuhalten, dass weder die Definition der Meditation, noch die Meditationspraxis selbst für unser geistliches Leben gleichgültig ist.
2. Meditatio – die Betrachtung
Unter der Meditation versteht man grundsätzlich das erwägende Lesen eines Textes, also das Lesen mit Verständnis. Es ist für uns alle, die wir Deutsch können, klar, dass wir auf Deutsch geschriebene Texte, die wir lesen auch verstehen. Wenn man aber eine Sprache nur soweit kann, dass man sie einigermaßen korrekt vorlesen kann, wie die meisten von uns zum Beispiel Finnisch, so wird die Sache schon komplizierter. Wie wir uns erinnern können, konnten auch vor dem Konzil nicht alle so gut Latein, dass sie alle gelesenen Texte tatsächlich verstanden haben. Manchmal waren es einzelne Worte, manchmal mehrere Passagen, manchmal ganze Gebete und Psalmen. Es ist tatsächlich so, dass die sprachlichen Begabungen verschieden ausfallen. Manche sind für Latein mehr als für die gängigen Fremdsprachen begabt, bei manchen ist es umgekehrt. Versetzen wir uns also in die Lage von jemanden, der im Moment ausschließlich den Satz: Deus in adiutorium meum intende – „Herr, komm zu meiner Hilfe“ versteht.
Diese Meditation könnte mit der Überlegung über die Person, die Eigenschaften und den Rang Gottes (Deus) beginnen oder mit der Frage: „Wer ist Gott und wer bin ich?“ Man könnte dabei alle 33 Attribute Gottes durchgehen, sie erwägen, in sich die Affekte des Lobes, des Dankes, der Ehrfurcht und der Anbetung erwecken und Gott für seine Anwesenheit im eigenen Leben danken. Danach könnte man sich am Tage bestimmte Zeiten festsetzen, an denen man sich in die Gegenwart Gottes versetzt und sich an ein bestimmtes göttliches Attribut (z.B. der Allgegenwart) erinnert. Wie man sich vorstellen kann, kann man allein mit dieser Betrachtung und geistlicher Übung mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre verbringen.
Danach könnte man sich dem zweiten Substantiv adiutorium – „Hilfe“ zuwenden, welches auch die theologische Bezeichnung für Gnade ist. Man kann dabei erwägen, welche Hilfe habe ich schon von Gott erfahren und dafür danken, welche erhoffe ich mir und dafür beten. Natürlich kann man auch sich überlegen, was die Gnade an sich ist und wie ich die Gnade Gottes in meinem Leben erfahre. Es gibt dermaßen viele Bücher und Traktate über die Einübung in das betrachtende Gebet, welche wir hier vielleicht auch vorstellen werden, dass wir uns jetzt darüber nicht weiter verbreiten wollen.
Es ist aber wichtig dabei zu bedenken, dass die Betrachtung tatsächlich eine recht intensive intellektuelle aber auch affektive Anstrengung des menschlichen Geistes darstellt. Daher wird sie meistens nur auf 30 min täglich, in manchen Ordensregeln auf gar zweimal 30 min täglich begrenzt. Sollte jemand jetzt damit anfangen wollen, so wird er schnell merken, dass 30 min wirklich sehr lange dauern können und dass es wirklich schwierig ist die ganze Zeit nur auf einem Aspekt konzentriert zu bleiben. Wie bereits gesagt, erinnert die Meditation anfangs an ein schnelles Umkippen beim Surfen nach einem mühevollen Anpaddeln.
Während aber Menschen, die kaum Latein können sich notgedrungen sehr schnell auf einzelne Begriffe konzentrieren können, scheinen die Lateiner ein größeres Problem zu haben. Es besteht darin einerseits die Texte, die man versteht andächtig zu rezitieren, andererseits in ihrer Tiefe erwägend hinab zu tauchen. Denn, so denkt man, entweder passt man nicht auf oder man meditiert nicht. Wie richtig Pater Poulain SJ feststellt, kann in der spirituellen Literatur erst der Begriff der Meditation recht spät auf, denn im XV/XVI. Jahrhundert. Hat man den vorher nicht meditiert? Doch, aber man hat es nicht so ausdrücklich genannt, denn durch das viele Psalmenbeten, welches durch das Tridentinisch Brevier von 1570 erheblich verkürzt wurde, man sowieso viel meditierte und sehr leicht in das Gebiet der Ruhe kam. Denn betete man, wie es an einem gewöhnlichen Sonntag im Tridentinischen Brevier vorgeschrieben ist und eher die Ausnahme darstellt, 50 Psalmen an einem Tag, meistens sind es 40 Psalmen, Abschnitte des 119 Psalms als ein Psalm gezählt, so ist es tatsächlich unmöglich sich auf einen Satz stark zu konzentrieren, da der nächste sogleich folgt. Dennoch gelangt man, ähnlich wie beim Beten des Rosenkranzes, in einen meditativen Zustand des Gebetes der Ruhe, in welchem bestimmte Sätze oder Ausdrücke mal schwächer und mal stärker zu uns sprechen.
Dies könnte man in etwa mit dem Wasserskifahren vergleichen, bei welchem man so stark vom Motorboot gezogen wird, dass man im Wasser nicht versinkt, sondern über es gleitet, eventuelle Elevationen nicht ausgeschlossen. Natürlich gelingt das nur bei einer bestimmten Geschwindigkeit des Motorbootes, da man sonst tatsächlich sinkt und selbst zum Strand schwimmen muss. So wie es beim Wasserski- oder Wakeboardfahren notwendig ist die Körperspannung und die Balance zu halten und natürlich die Verbindung zum Motorboot nicht fallen zu lassen, so ist es beim meditierenden Rezitieren der Psalmen wichtig, tatsächlich eine gewisse Anzahl laut zu rezitieren, um sozusagen eine bestimmte Geschwindigkeit des Gebets aufzunehmen.
Die beste Anzahl der Psalmen hat, unserer Meinung nach, das Tridentinische Brevier (1570-1910), danach das Brevier des Pius X. (1911-1955), alle weiteren Breviere haben einfach zu wenig „Gebetsstoff“, um die notwendige „Meditationsgeschwindigkeit“ zu erreichen. Dies ist auch der Grund, warum auch heute betende Menschen nach anderem Gebetserfahrungen suchen. Sie tun es deswegen, weil das heutige Brevier, im Gegensatz zu den früheren Brevieren, die Meditationserfahrung nicht mehr sichert.
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