
All unsere bisherigen Überlegungen betrachtend, könnte man fragen, ob die Überlegungen zur Schönheit nicht einer allzu weltlichen Natur seien. Dies ist aber nicht der Fall, da die Schönheit eine der Eigenschaften Gottes (attributa divina) ist und zu den Eigenschaften des göttlichen Seins (attributa essendi) gezählt wird.[1] Da die Welt sehr schön ist und sie ein Geschöpf aber auch ein Abglanz der eigentlichen, denn geistlichen Vollkommenheit Gottes ist, so muss Gott sehr schön sein.
Gott ist im höchsten Maße wahr, gut und schön und in ihm fallen das Wahre, das Gute und das Schöne in eins zusammen: bonum, verum et pulchrum convertuntur. Daher ist es für einen Katholiken gottgegeben und legitim hinter dem Schönen das Wahre und Gute zu vermuten und hinter dem Hässlichen das Gegenteil davon. Man braucht sich dafür nicht zu entschuldigen, wie Martin Mosebach es tut. Mathematiker und Physiker wissen auch, dass das ästhetische Kriterium gleichzeitig das wahre Kriterium ist. Denn eine wahre Formel ist schön, kurz und übersichtlich, wie die mathematische Erfahrung zeigt: a2 + b2 = c2 oder e = mc2 alles schön, kurz, wahr und prägnant. Natürlich erreicht man diese Schönheit und Kürze nach recht vielen Rechenwegen und Kürzungen, aber sie ist das Ziel. Geschwülstiges, kompliziertes Reden oder der nachkonziliare Jargon in der Kirche ist niemals wahr, wie man aus den Haus-der-Martha-Statements, denn Predigten sind es wirklich nicht mehr, des jetzigen Papstes ersehen können.
Der Teufel kann einfach keine Schönheit hervorbringen, genauso wenig wie die Wahrheit. Er stellt alles Mögliche zusammen, was jedoch sowohl der Harmonie als auch der Stringenz entbehrt. Wenn wir im Internet nach guten katholischen Seiten fanden, so können wir, auch theologisch ungebildet, nach der Ästhetik richten. Je schöner, desto katholischer. Katholisch ist nicht hässlich oder übertrieben. Ein gotterfüllter Mensch, versteht, ungeachtet seiner sonstigen Bildung, etwas von Schönheit. Dies ist auch der Grund, warum früher, vor dem Konzil, auch die einfachsten Dorfkirchen, von Menschen, die weder lesen noch schreiben konnten entworfen, schön waren. Bäuerlich aber schön. Man fand die richtigen Proportionen, Harmonien und Verbindungen. Weil man Gott kannte.
Was ist aber schön? Der hl. Thomas von Aquin antwortet: „dasjenige, dessen Anschauung geistigen Genuss gewährt (pulchra dicuntur, quae visa placent)“.[2] Natürlich muss die Anschauung breiter als das reine Sehen gefasst werden. Damit ist ein jeder vernehmender Akt gemeint, da es auch schöne Musik oder schöne Literatur gibt. Vornehmlich ist es tatsächlich das Sehen. Aber durch die Schönheit, werden wir wirklich „in eine bessre‘ Welt entrückt“, wie das berühmte Lied von Schubert „An die Musik“ sagt. Im Anschluss an Summ. Theol. I 1. 39 a. 8 lassen sich, so Diekamp-Jüssen, den wir an dieser Stelle zitieren,[3] drei Erfordernisse der Schönheit aufstellen:
- Integritas sive perfectio, d.i. die Unversehrtheit des Gegenstandes,
- Debita proportio sive consonantia, d.i. das rechte Verhältnis der Teile zueinander, ihre Einheit in der Mannigfaltigkeit oder ihre Ordnung,
- Claritas, d.i. Klarheit und Helligkeit, welche die Vollkommenheit und harmonische Einheit in glanzvoller Weise vor Augen führt.
Ad 1. Integritas sive perfectio
Die Schönheit setzt eine Ganzheit voraus. Etwas Zerbrochenes, Unvollendetes wird als Unvollkommen und nicht als Schön wahrgenommen.
Ad 2. Debita proportio sive consonantia
Dies führt dazu, dass bei fehlender Symmetrie es kein rechtes Verhältnis der Teile zueinander entstehen kann. Denn Schönheit ist Mathematik und hinter allem steckt der goldene Schnitt. [4] Musik ist ja mehr Konsonanz als Dissonanz, da unser Ohr und Gehirn auf langandauernde Dissonanzen empfindlich reagiert. Die Pop-Musik, die uns berieselt und auch zurecht auf der harmonischen Stufe der Frühklassik geblieben. Nicht nur deswegen, weil die allermeisten Menschen nur dies aufnehmen können, sondern weil diese Harmonien sich durch die besten und eifachsten Proportionen auszeichen.
Ad 3. Claritas
Ja, Schönheit hat etwas Lichtvolles (siehe das obere Bild), etwas Schimmerndes und gute Musik endet mit einem D-Dur-Akkord, der, wie Bach und Hindemith schon ahnten, gottgewollt ist. Der heilige Augustinus sprach in diesem Kontext von „Glanz der Ordnung“ (splendor ordinis), wie man ja auch vom Glanz der Wahrheit (splendor veritatis) spricht.
Liest man Bücher oder Traktate der Kirchenväter oder der großen Theologen, so wird man nicht nur von der sprachlichen Schönheit angerührt, von dem Rhythmus der Sprache, ihrer Kürze und Präzision, sondern aus diesen Texten strahlt wirklich etwas Lichtvolles hervor. Man freut sich, dass die Kirche einmal solche Literaten und Heilige zugleich hatte. Was sich schlecht liest, siehe Karl Rahner et alia, ist auch unwahr. Der Heilige Geist gibt tatsächlich den Rhythmus ein, indem er die sprachlichen Proportionen ordnet. Daher gibt es im alten Brevier also dem bis 1962 kein Kitsch. Die Hymnen und Lesungen sind kurz, prägnant und schön. Die Vulgata-Psalmen eine schöne, anschauliche Poesie und natürlich gutes Latein. Vor dem Konzil wurde der Klerus durch das Gebet und die Liturgie gleichzeitig ästhetisch gebildet und dort, wo schon Hässlichkeit herrschte, war kein Geist mehr.
[1] https://traditionundglauben.com/2015/10/01/augustin-poulain-sj-die-fulle-der-gnaden-10-kapitel-2-vorstufen-der-mystik-1-gebet-der-affekte/
[2] Thomas von Aquin, Summ. Theol. I, q. 6 a. 5 ad 1.
[3] Diekamp-Jüssen, Katholische Dogmatik, Will 2013, 166.
[4] http://www.spektrum.de/news/wie-berechnet-man-schoenheit/793179 https://www.youtube.com/watch?v=2I7dbgXfNh8 http://www.welt.de/welt_print/vermischtes/article8826484/Geometrie-der-Schoenheit-Der-Goldene-Schnitt.html
[donate]
Kommentar- und Printfunktion nur für Abonnenten.