
Im Kontext der jüngsten Missbrauchsskandale in der Universalkirche, bei der Piusbruderschaft (FSSPX) und angesichts der Verurteilung von Pater James Jackson (FSSP) wegen Besitzes und Verbreitung von Kinderpornographie, stellen sich viele Katholiken die Frage, wie es denn möglich sei, dass angeblichen Männer Gottes solche Taten begehen.
Nach langer Zeit von Leugnungen („Alles Hoax!“) und Beschimpfungen der Boten („Ihr verunglimpft die guten Priester, die es so schwer haben“) ist jetzt bei allen – auch bei gloria.tv – die Einsicht gekommen, dass die Vorwürfe stimmen, da es ansonsten keine Anklagen, Prozesse, Geständnisse und Entschädigungszahlungen gäbe.
Wie ist es aber möglich?
Da wir ein theologischer Blog sind, so wollen wir theologische Gründe untersuchen, an die sich sonst kaum jemand heran wagt. Wir untersuchen die Frage, ob die eigentlichen Ursachen paranormal, d.h. dämonisch sind.
Leserzuschrift besonderer Art
DSDZ [der Schreiber dieser Zeilen] erhält seit einiger Zeit Schreiben eines Priesters im Ruhestand zu diesem Thema, dem wir zwar die Anonymität zusichern wollen, dessen Zuschriften aber für eine bestimmte Sichtweise dermaßen typisch sind, dass wir sie hier editiert und anonymisiert wiedergeben. Der Tenor dieser Aussagen lautet:
Diese Priester sind unschuldig – es waren die Dämonen, die eine Besessenheit oder Umsessenheit herbeiführten, die solche Taten möglich machte!
Lesen wir uns die Aussagen dieses Priesters durch:
[…] die Guten haben mehr Angriffe (!), denn die anderen hat er ja schon.
Die Geistlichen haben noch mehr Angriffe, selbst Antonius in der Wüste hatte furchtbare Versuchungen, obwohl keine Frau da war.
Der T[eufel] spielt dann gratis Kino. Die hl. Katharina von Siena hatte sogar bei der hl. Kommunion schmutzige Phantasiebilder.
Der Alte Hymnus der Komplet, meist schwach übersetzt, spricht von phantasmata, ne polluantur corpora…[…]
Wir wollen seine Ausführungen mit den folgenden Themen konfrontieren
- Katholische Gnadenlehre
- Wirkung des Weihesakraments
- Versuchung des hl. Antonius
- Dämonische Erscheinungen und Sex mit Dämonen
Katholische Gnadenlehre
Sicherlich haben die Guten, vorausgesetzt, dass die Geistlichen dazu zählen, mehr dämonische Angriffe, da sich um die Schlechten der Teufel nicht zu bemühen braucht. Aber die Guten haben auch mehr Gnade, weil sie ja deswegen gut geworden und geblieben sind, da Gnade in ihnen wirkte.
Notwendigkeit der Gnade
Das resultiert aus der katholischen Gnadenlehre, die besagt:
Zu jedem Heilsakt ist die innere übernatürliche Gnade Gottes (gratia elevans) absolut notwendig. De fide[1].
Und was ist ein Heilsakt?
Es ist eine „Tätigkeit, die zum übernatürlichen Endziel in innerer Beziehung steht“.[2] Dies bedeutet alles, was Sie in den Himmel bringt:
- Sie beten – Heilsakt,
- Sie gehen in die Kirche – Heilsakt,
- Sie bewirten Gäste, um eine gute Tat zu vollbringen und christliche Nächstenliebe zu üben – Heilsakt.
Ein Heilsakt muss mit dem Endziel – Heil – „in einer inneren Beziehung stehen“, dies bedeutet, dass Heilsakte auch ganz weltliche Tätigkeiten sein können, z. B. Einkaufen, Auto waschen, wenn sie in der Intention durchgeführt werden, Gott näher zu kommen und Ihm mehr zu gefallen.
So kann ich einkaufen und mich dabei in Geduld, Sanftmut und Askese üben. Dieser Gedanke liegt beispielsweise den Stoßgebeten des Kardinals Bona zugrunde, wo der fromme Kardinal ganz alltägliche Tätigkeiten mit Stoßgebeten versieht, damit auch diese zu täglichen Heilsakten werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Guten deswegen gut wurden, weil sie zu jedem Heilsakt die innere übernatürliche Gnade (gratia elevans) hatten.
Ohne Gnade kann man nämlich nichts, wie der nächste Grundsatz besagt:
Im Zustand der gefallenen Natur ist es dem Menschen moralisch unmöglich, ohne heilende Gnade (gratia sanans) auf längere Zeit das ganze Sittengesetz zu erfüllen und alle schweren Versuchungen zu überwinden. (Sent. certa)[3]
Was bedeutet das?
Mit dem Sittengesetz sind die Zehn Gebote und das Naturrecht gemeint, welche u.a. das Verbot von Pädophilie und Kinderpornographie beinhalten.
Nach der Lehre des Konzils von Trient hat der Gerechtfertigte, d.h. ein Getaufter im Gnadenstand, „eine besondere Hilfe Gottes“, d.h. einen aktuellen Gnadenbeistand nötig, um dauernd alle schweren Sünden zu meiden und so den Gnadenstand zu bewahren.
Dies ist den folgenden Kanones des Dekrets über die Rechtfertigung (6. Sitzung, 13. Jan. 1547) zu entnehmen:
Denn wenn sie sich nicht selbst seiner Gnade versagt haben, wird Gott das gute Werk so vollenden, wie er es begonnen hat [vgl. Phil 1,6], indem er das Wollen und das Vollbringen wirkt [vgl. Phil 2,13; Kan. 22].
Die jedoch meinen, sie stünden, sollen zusehen, daß sie nicht fallen [vgl. 1 Kor 10,12], und mit Furcht und Zittern ihr Heil wirken [vgl. Phil 2,12] in Mühen, in Wachen, in Almosen, in Gebeten und Opfern, in Fasten und Keuschheit [vgl. 2 Kor 6,5f]. [DH 1541]
Kan. 22. Wer sagt, der Gerechtfertigte könne ohne die besondere Hilfe Gottes in der empfangenen Gerechtigkeit verharren, oder er könne <es> mit ihr nicht: der sei mit dem Anathema belegt [vgl. *1541]. [DH 1572]
Wenn also nicht einmal ein Gerechtfertigter ohne Gnade bestehen kann,
„so ist umso mehr anzunehmen, dass der Nichtgerechtfertigte [= Ungetaufter oder Todsünder] ohne aktuelle Gnadenhilfe nicht auf längere Zeit alle schweren Sünden meiden kann, wenn er auch auf Grund seiner natürlichen Freiheit die Fähigkeit hat, die einzeln Sünde zu meiden und das einzelne Gebot zu erfüllen“.[4]
Dies bedeutet, dass auch Ungetaufte Gutes tun und manche Sünde meiden können, denn nicht alle Ungetauften sind ja pädophil, aber sie sind ohne Gnade nicht in der Lage dauernd alle Sünden zu meiden und alle Gebote zu erfüllen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Guten – die Gerechtfertigten – ihren Zustand der Gnade und der Mitarbeit mit der Gnade verdanken.
Wie kann man sich Gnade organisieren?
Gar nicht, denn man kann sich die Gnade nicht selbst verdienen oder sie irgendwie herbeiführen. Die Gnade ist immer frei und kommt den Verdiensten zuvor (DH 388, 1525).[5] Man spricht daher von der Gratuität der Gnade und der hl. Augustinus sagt dazu:
Warum Gnade? Weil sie geschenkweise (gratis) gegeben wird. Warum wird sie geschenkweise gegeben? Weil nicht deine Verdienste vorausgegangen sind. (Enarr. In Ps. 20 sermo 1, 6)
Es ist nicht Gnade, wenn Verdienste vorausgegangen sind. Es ist aber Gnade; diese fand also nicht Verdienste vor, sondern bewirkte sie. (In Ioann. tr. 86, 2)
Die Dogmen bezüglich der Gratuität der Gnade lauten:
Die Gnade kann durch natürliche Werke weder de condigno [durch Rechtsanspruch] noch de congruo [durch Billigkeitsanpruch] verdient werden. (De fide)
Die Gnade kann durch natürliches Bittgebet nicht erfleht werden. (Sent. certa.)
Der Mensch kann sich keine natürliche positive Disposition auf die Gnade erwerben. (Sent. certa)
Man kann also die Gnade keineswegs für sich selbst „produzieren“, man kann sich aber für den Empfang der Gnade vorbereiten, nach dem Grundsatz: facienti quod est in se, Deus non denegat gratiam. Dies ist nach hl. Thomas wie folgt zu lesen: „Demjenigen, der mit Hilfe der Gnade tut, was in seinen Kräften liegt, versagt Gott weitere Gnade nicht“. (Vgl. Summ. th. 1 II 109, 6 ad 2; 112, 3 ad 1; In Rom. 10 lect. 3)
Wovon hängt das Maß der Gnade ab?
Von Gott allein, der manchen großen Sündern z.B. hl. Paulus, hl. Augustinus die erste Gnade, d.h. die Bekehrungsgnade ganz unverdient gab, anderen jedoch nicht.
Ist das nicht ungerecht?
Nein, weil Gott in seiner Allwissenheit wusste, wer mit seiner Gnade mitarbeiten wird, da er zu den Prädestinierten gehört und wer nicht. Dies gehört zum Thema Prädestination/Reprobation.
Gibt Gott allen ausreichend viel Gnade?
Ja, und es gibt dazu folgende Dogmen[6]:
Gott will auch unter der Voraussetzung des Sündenfalles und der Erbsünde wahrhaft und aufrichtig das Heil aller Menschen. (Sent. fidei proxima)
Gott gibt allen Gerechten hinreichende Gnade (gratia proxime vel remote sufficiens) zur Beobachtung der göttlichen Gebote. (De fide)
Gott gibt allen gläubigen Sündern hinreichende Gnade (gratia saltem remote sufficiens) zur Bekehrung. (Sent. communis)
Gott gibt allen schuldlos Ungläubigen (infideles negativi) hinreichende Gnade zur Erlangung des ewigen Heiles.
Wir halten also fest, dass Gott allen ausreichend viel Gnade gibt, damit sie die dämonischen Angriffe abwehren können.
Priester haben mehr Gnade
Es ist sogar zulässig zu sagen, dass Priester mehr Gnade als die Laien haben[7]. Es ist ja ein zusätzliches Sakrament:
Das Weihesakrament verleiht dem Empfänger heiligmachende Gnade. (De fide, Vgl. DH 1600, 1766, 1774)
„Als Sakrament der Lebendigen bewirkt das Weihesakrament per se die Vermehrung der heiligmachenden Gnade.“
Dies Bedeutet, dass im Gegensatz zu einem „Sakrament der Toten“ (Taufe, Buße, Letzte Ölung), wo der Sünder in den Gnadenstand zurückversetzt wird, jedes „Sakrament der Lebendigen“: Firmung, Eucharistie, Ehe, Weihe vermehrt die schon vorhandene Gnade, denn man muss im Gnadenstand sein, um “die Sakramente der Lebendigen” wirksam, d.h. ohne Hinderungsgrund (obex) zu empfangen.
„Die Weihegnade hat den Zweck und die besondere Eignung, den Empfänger zur würdigen Ausübung der Funktionen seines Ordo [der Weihe] zu einem entsprechenden Lebenswandel zu befähigen.
Obacht, der Priester erhält durch die Weihe die Befähigung zum Leben im Zölibat!
Das Decretum pro Armenis lehrt mit dem hl. Thomas: Effectus (sc. ordinis) augmentum gratiae, ut quis sit ideoneus minister. [Die Wirkung des Weihesakraments ist der Zuwachs der Gnade, damit jemand ein geeigneter Diener Gottes ist.]
Pius XI. lehrt in der Enz. „Ad catholici sacerdotii“ (1935): „Der Priester erhält durch das Sakrament der Weihe … auch eine neue und besondere Gnade und eine besondere Hilfe, durch die er … den hohen Verpflichtungen des übernommenen Amtes würdig und ungebrochenen Mutes nachkommen und die schwierigen Aufgaben desselben erfüllen kann.“ DH 3755. Die biblische Grundlage ist 1 Tim 4, 14 und 2 Tim 1,6.
Gott gibt also im Moment der Weihe alle notwendigen Gnaden.
Mit der Vervollkommnung der Gnadenstandes empfängt der Ordinand das Anrecht auf aktuelle Gnaden, die künftighin zur Erreichung des Zweckes des Sakramentes notwendig sind. Suppl. 35, 1
Sowie das Anrecht auf die notwendigen Gnaden in der Zukunft.
Sollten auch die Geistlichen mehr Versuchungen als die Laien haben und wer kann schon sagen, welche Versuchungen der andere hat, dann haben sie auch mehr Gnade, um ihnen trotzen zu können.
Ansonsten wäre Gott ungerecht jemandem zur der hohen priesterlichen Berufung zur erwählen und ihm dann die notwendigen Gnaden zu versagen, damit dieser in die üblichen klerikalen Sumpf falle: Konkubinat, Internetpornographie, Homosexualität, Pädophile, etc.
Die Versuchungen des hl. Antonius
Wenn also der oben zitierte Priester-Emeritus im Kontext des Missbrauchs von „Angriffen“ im Sinne von Versuchungen spricht, dann schreibt er am Thema vorbei, denn sexueller Missbrauch ist kein dämonischer Angriff oder eine Versuchung, sondern eine vollbrachte Tat, die dann stattfindet, wenn man der Versuchung schon nachgegeben hat.
Die Berufung auf den hl. Antonius ist im Kontext der Pädophilie oder Kinderpornographie ebenfalls verfehlt und für den Heiligen beleidigend, weil er ganz andere Versuchungen hatte. Wie diese Versuchung konkret aussah, lesen wir im Leben des heiligen Antonius (Vita Antonii) vom hl. Athanasius von Alexandrien, Kap. 5:
[..] der böse Feind […] setzte er sein Vertrauen auf die Waffen “am Nabel seines Bauches”,1 und voll Stolz darauf – denn es sind seine ersten Fallstricke für Jünglinge -, stürmte er heran gegen ihn, den Jüngling; er bedrängte ihn nachts und setzte ihm am Tage so zu, daß auch die, welche den Antonius sahen, den Zweikampf zwischen ihm und dem Teufel bemerkten.
Der Teufel gab ihm schmutzige Gedanken ein, Antonius verscheuchte sie durch sein Gebet; jener stachelte ihn an, er aber, gleichsam errötend, schirmte seinen Leib durch den Glauben, durch Gebet und Fasten. Der arme Teufel ließ sich sogar herbei, ihm nachts als Weib zu erscheinen und alles Mögliche nachzumachen, nur um den Antonius zu verführen.
Dieser aber dachte an Christus und den durch ihn erlangten Adel der Seele, an ihre geistige Art, und erstickte die glühende Kohle seines Wahnes. Dann wieder stellte ihm der böse Feind die Annehmlichkeit der Lust vor, er aber, voll Zorn und Schmerz, erwog bei sich die Drohung des ewigen Feuers und die Plage des Wurmes; dies hielt er ihm entgegen und ging aus den Versuchungen unversehrt hervor.
Wie wir lesen können, hatte der hl. Antonius schwere sexuelle Anfechtungen, der Teufel erschien ihm sogar, denn er kann sich materialisieren, um den Einsiedler zu verführen. Der Widersacher konnte aber sein Ziel nicht erreichen, weil der Heilige der Versuchung nicht nachgab. Hl. Antonius war also weder ein Pädophiler noch ein Konsument von Kinderpornographie, weil er die Versuchung, die in seinem Fall besonders schwer aufkeimte im Keim erstickte.
Wir alle haben Versuchungen, und zwar deswegen, damit wir an ihnen wachsen und durch ihre Bekämpfung uns eine bestimmte Tugend erarbeiten. Ohne sexuelle Versuchungen gibt es keine Tugend der Keuschheit, die sich in diesen Kämpfen bewähren muss. Derselbe hl. Antonius sagte ja:
Nimm die Versuchungen weg und niemand wird gerettet.
Gott schickt uns bestimmte Versuchungen nur deswegen, damit wir uns in einer bestimmten Tugend einüben können. Wirken wir nicht mit, dann überlässt er uns irgendwann unseren eigenen Leidenschaften, die immer verkommener werden. Es gibt sicherlich dermaßen schwere sexuelle Anfechtungen, die nicht mehr natürlich, sondern dämonisch sind, aber Gott gibt uns immer ausreichend Gnade, um sie zu überwinden und den Priestern erst recht.
Dämonische Erscheinungen und Sex mit Dämonen
Es stimmt zwar, wie der Priester-Emeritus schreibt, dass die Dämonen manchmal als nächtliche Erscheinungen [phantasmata] auftreten können, um eine Ejakulation (pollutio nocturna) zu provozieren, daher sagt auch der Komplethymnus Te lucis ante terminum:
Procul recédant sómnia
et nóctium phantásmata;
hostémque nostrum cómprime,
ne polluántur córpora.
Weit weg mögen die Träume zurückweichen
Und die Erscheinungen der Nächte
Unseren Feind halte nieder
damit die Körper nicht befleckt werden.
Darüber, dass Sex mit erscheinenden Dämonen durchaus möglich ist, schreibt recht ausführlich hl. Alfons von Liguori (siehe diese Beiträge (56) bis (59)), indem viele frühere Quellen und Autoren anführt. Die Fälle des Incubus oder Succubus sind aber sehr selten und treffen heutzutage eher auf Esoteriker als auf Priester zu. Sollte jemand doch tatsächlich mit einer nächtlichen Phantasma geschlechtlich verkehren, so ist es ein Dämon und kein Kind.
[1] Ott, L., Grundriss der Dogmatik, Bonn 2010, 330.
[2] Ebd., 326.
[3] Ebd., 338
[4] Ebd., 338.
[5] Ebd., 339-341.
[6] Ebd. 342-343.
[7] Ebd., 618.

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