Tradition und Glauben

Katholische Engellehre: (48). Zustand und Wirksamkeit der bösen Geister vor dem Weltgericht (IV). Biblischer Hintergrund der Besessenheit (iv)

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Besessenheit ist biblisch bezeugt und diese infrage zu stellen, bedeutet die Historizität und Authentizität der Heiligen Schrift infrage zu stellen.

a) Die Heilige Schrift bezeugt deutlich manche Fälle von Besessenheit, welche klar und deutlich von den Berichten der Heilung unterschieden werden. Somit ist es unzulässig zu sagen, dass es sich bei den Besessenheitsfällen des Neuen Testaments um unerkannte psychiatrische Fälle handelt. Diese Annahme, die öfters in der neueren Exegese vorkommt, stellt ja die Göttlichkeit Christi und sein Allwissen infrage.

Jesus selbst erklärt, dass er Teufel austreibe:

Doch er wusste, was sie dachten, und sagte zu ihnen: Jedes Reich, das in sich gespalten ist, wird veröden, und ein Haus ums andere stürzt ein. Wenn also der Satan mit sich selbst im Streit liegt, wie kann sein Reich dann Bestand haben? Ihr sagt doch, daß ich die Dämonen mit Hilfe von Beelzebul austreibe. Wenn ich die Dämonen durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben dann eure Anhänger sie aus? Sie selbst also sprechen euch das Urteil. Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen. (Lk 11, 17-20)

Bemerken wir hier, dass:

  • sowohl die Juden als auch Jesus von einer realen Existenz der Dämonen ausgehen;
  • die Juden stellen nicht infrage, dass Jesus tatsächlich die Dämonen austreibt;
  • die Juden unterstellen Jesus aber, dass er niedriger gestellten Dämonen mithilfe der höher gestellten Dämonen austreibt;
  • Jesus stellt fest, dass er selbst die Dämonen mit dem „Finger Gottes“, womit seine göttliche Macht gemeint ist, austreibt.

Dämonen durch Dämonen austreiben – Geht das?

Soweit, so gut, aber es stellt sich bezüglich des Punktes (3) die Frage, ob es möglich sein diejenigen Dämonen, die tiefer in der Hierarchie stehen und untergeordnet sind, mit denjenigen Dämonen, in der Hierarchie höher stehen und übergeordnet sind, auszutreiben. Anders formuliert: Kann man den untergeordneten Teufel mit dem übergeordneten Teufel austreiben? Die Antwort lautet „Ja“, denn bei den Dämonenhierarchien handelt es sich, wie wir bereits geschrieben haben, um eine umgekehrte Engelhierarchien. Der hl. Thomas von Aquin schreibt dazu, dass es unter den Dämonen sowohl eine Hierarchie (ordo)[1] gibt als auch eine Rangordnung, bei der die einen den anderen vorstehen (praelatio)[2] gibt. Lesen wir die betreffenden Passagen dazu durch:

Erster Artikel.
Es besteht eine Rangordnung in den Dämonen.

a) Dagegen spricht:

I. Die Ordnung gehört zur Natur des Guten ebenso wie Form und Maß, nach Augustin, (de natura boni cap. 3.) Die Unordnung gehört zur Natur des Bösen. In den guten Engeln ist aber keine Unordnung. Also ist in den bösen keine Ordnung.

II. Die Chöre oder Ordnungen der Engel sind in einer gewissen Hierarchie enthalten. Die Dämonen aber sind in keiner „Hierarchie“ oder „heiligen Herrschaft“ enthalten; denn sie sind von allem „Heiligen“ entblößt.

III. Die Dämonen sind aus den einzelnen Chören der Engel gefallen, wie man gewöhnlich sagt. Dann müssten aber, da der Engelchor bestehen bleibt, aus dem sie gefallen, ihnen auch die Namen der einzelnen Engelchöre beigelegt werden; was anscheinend nicht geschieht, denn niemals werden die Dämonen Cherubim oder Seraphim oder Herrschaften genannt.

Auf der anderen Seite sagt der Apostel (Ephes. 6, 12.): „Unser Kampf richtet sich gegen Fürsten und Gewalten, gegen die Lenker der Welt dieser Finsternisse.“

b) Ich antworte, der Engelchor werde betrachtet sowohl gemäß der Ordnung der Natur als auch gemäß der Ordnung der Gnade. Die Gnade aber ist entweder in ihrer unvollkommenen Seinsweise, im Zustande des Verdienstes; oder in ihrer vollkommenen, im Zustande der Herrlichkeit, zu berücksichtigen.

Wird also die Vollkommenheit der Herrlichkeit erwogen, so sind die Dämonen niemals in den Engelchören gewesen. Wird aber die reine Gnade erwogen, so waren die Dämonen wohl in den Engelchören, aber sind denselben abgefallen; gemäß dem, was wir oben Kap. 62, Art. 2 erklärt haben, dass nämlich die Engel in der Gnade geschaffen worden sind. Soweit jedoch die bloße Natur in Betracht kommt, so sind sie auch jetzt noch in den Engelchören; denn die Naturgaben blieben bestehen, auch nach der Sünde,

c) I. Das Gute kann wohl ohne das Böse gefunden werben; aber nichts Böses ohne Gutes. (vgl. Kap. 49, Art. 3.) Soweit also die Dämonen das Gut ihrer Natur haben, nehmen sie teil an der Ordnung.

II. Die Ordnung in den Dämonen ist heilig mit Beziehung auf Gott, der sie gegeben und sich derselben zu seiner Ehre bedient. Sie ist nicht heilig, soweit die Dämonen ihre Natur missbrauchen zum Bösen.

III. Seraphim werden die Engel genannt wegen der Liebe; Throne, weil Gott in ihnen wohnt; Herrschaften wegen der Freiheit; was Alles der Sünde gegenübersteht. Deshalb werden diese Namen den Dämonen nicht beigelegt.

Zweiter Artikel.
Unter Dämonen gibt es Vorsteher, denen die anderen gehorchen.

a) Das Gegenteil erhellt aus Folgendem:

I. Alle Vorsteherschaft richtet sich nach irgendwelcher Richtschnur der Gerechtigkeit. Die Dämonen aber sind durchaus abgefallen von der Gerechtigkeit.

II. Wo Befehl und Gehorsam ist, da ist Eintracht. Eintracht aber haben die Dämonen nicht. Denn „unter den Hochmütigen sind immer Streitigkeiten“. (Prov. 13, 10.)

III. Jede Vorsteherschaft unter den Dämonen müsste entweder von der Natur kommen oder Strafe sein für ihre Schuld. Von ihrer Natur kommt sie nicht; denn Unterwerfung und Dienen ist nicht aus der Natur, sondern aus der Sünde. Sie kommt bei den Dämonen auch nicht von der Schuld; denn dann müssten die höheren unter ihnen, die ja mehr gesündigt haben, den niedrigeren gehorchen. Es besteht also gar keine Vorsteherschaft oder Leitung unter den Dämonen.

Auf der anderen Seite sagt die Glosse zu 1 Kor. 15. cum evacuaverit: „Solange die Welt dauert, stehen Engel den Engeln, Menschen den Menschen, Dämonen den Dämonen vor.“

b) Ich antworte, dass die Tätigkeit eines Dinges seiner Natur entspricht. Wo also in den Naturen der betreffenden Wesen eine Ordnung besteht, da müssen auch die Tätigkeiten gegenseitig geordnet sein. Das erscheint bereits im Bereiche des Körperlichen. Denn weil die niederen Körper ihrer Natur gemäß den höheren himmlischen untergeordnet sind, deshalb hängen auch die Tätigkeiten und Bewegungen der ersteren von der Tätigkeit und den Bewegungen der Himmelskörper ab. Nun besteht in den Naturen der Dämonen eine gegenseitige Ordnung, wonach die einen den anderen untergeordnet sind. Also sind auch die Tätigkeiten der einen untergeordnet den Tätigkeiten der anderen. Das aber stellt gerade das Verhältnis her von Oberen und Untergebenen. Auch der göttlichen Weisheit entspricht dies, die nichts in der Welt in Unordnung lässt, „die da reicht mit Kraft von Zweck zu Zweck und Alles lenkt mit Milde.“ (Sap. 8, 1.)

c) I. Die Gerechtigkeit Gottes, der die Naturen eingerichtet, ist der  Grund davon, dass unter den Dämonen Vorsteher und Untergebene sind; nicht die der Dämonen.

II. Die Eintracht der Dämonen, kraft deren die einen den anderen gehorchen, kommt nicht aus irgendwelcher Freundschaft untereinander; sondern aus ihrer Bosheit, womit sie den Menschen hassen und Gottes Gerechtigkeit widerstreben. Sie gleichen gottlosen Menschen, die sich denen verbinden und unterwerfen, welche mächtiger sind als sie, damit sie die eigene Bosheit ausführen können.

III. Die Dämonen sind von Natur ungleich; also besteht bei ihnen von Natur eine Vorsteherschaft. Dies ist bei den Menschen aber nicht der Fall, welche alle ein und dieselbe Natur haben. Dass aber den höheren Dämonen die niedrigeren unterworfen sind, das ist kein Gut für die ersteren, sondern vielmehr ein Übel; denn da Böses tun im höchsten Grade Elend ist, so ist eine Vorsteherschaft im Bösestun ein höheres Elend.

Da es also unter den Dämonen sowohl eine Hierarchie als auch eine Art Befehlskette gibt, so ist es möglich die untergebenen Dämonen mithilfe der höher gestellten Dämonen zu vertreiben. Dies haben jüdischen Exorzisten gemacht, dies tun heutzutage die Esoteriker und Okkultisten. Weil sie also im Bunde mit einem höhergestellten Dämon stehen, so sind sie in der Lage die untergebenen Dämonen zu vertreiben. Andererseits wissen die katholischen Exorzisten oder wenigstens die christlichen Exorzisten, welche die Dämonen im Namen Jesu vertreiben, dass der Besessene immer von mehreren Dämonen auf einmal besessen ist und dass die Besessenheit erst dann endet, wenn der oberste Dämon, dem die anderen untergeordnet sind, den Leib des Menschen verlässt. An dieser Stelle muss gesagt werden, dass ein Exorzismus von Dämonen durch Dämonen durchaus möglich, aber nicht langfristig erfolgreich ist. Wie Thomas von Aquin schreibt werden bei diesem sozusagen „ökumenischen“ Exorzismus nur die Körper der Besessenen befreit, nicht aber ihre Seelen.

Denn Kraft der höheren Teufel werden die Körper von den Teufeln in der Weise befreit, dass die Seele unter deren Herrschaft verbleibt; da nicht der Teufel gegen seine eigene Herrschaft wirkt (Nam virtute superiorum Daemonum ita Daemones a corporibus expelluntur quod tamen remanet dominium eorum quantum ad animam, non enim contra regnum suum Diabolus agit). (Summ theol. IIIa, q.43. 2 ad 3)

Dies bedeutet das bei einer außerchristlichen Dämonenbefreiung, die es ja durchaus auch in anderen Religionen gibt, immer ein dämonischer Anhängsel übrigbleiben kann. Dies bedeutet aber auch, dass das Austreiben von Dämonen nicht unbedingt das Zeichen der wahren Religion oder einer echten Privatoffenbarung ist. Dieser Grundsatz ist auf die zahlreichen Exorzismen in Medjugorje anzuwenden, wo, unserer Meinung nach, die Dämonen zuerst reingetrieben werden, um später angeblich ausgetrieben zu werden und damit die angebliche Botschaft von Medjugorje zu bezeugen. Denn paranormal ist nicht übernatürlich, im theologischen Sinne, da leider auch die Dämonen „Zeichen und Wunder“ im Sinne der paranormalen Phänomene bewirken können.

Aber kehren wir zur Dämonenaustreibung durch Christus selbst. Er nötigt die in Menschen wohnenden Dämonen, Rede und Antwort zu stehen (Markus 5,9; Lukas 8,30), oder befiehlt ihnen zu schweigen (Markus 1,25.34). Er treibt sie aus und weiß ihnen ihren ferneren Aufenthalt an (Lukas 8, 31 f.). Der Herr alle hat also solche Menschen von wirklicher teuflischer Besessenheit befreit. Andere Beispiele bietet das Leben der Apostel, so Apg 5,16; 15,18 ff., 19,11 ff.[3]


[1] Summ. Theol. Ia, q. 109, art. 1.

[2] Summ. Theol. Ia, q. 109, art. 2.

[3] Diekamp-Jüssen, Katholische Dogmatik, Wil 2012, 389.

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