
Der Papst würdigt in dem vorgestellten Text der Einleitung, denn weiter sind wir immer noch nicht, die Liturgische Bewegung und warnt gleichzeitig von den Gefahren, die von ihr ausgehen, deren wir alle heute Zeugen sind. Denn schnell mutierte die liturgische Bewegung, besonders in Deutschland, von der liturgischen Pietät zur liturgischen Neuerung, was mit der missa ad populum und dialogisierten Messen begann. Am Ende dieser Bewegung steht die heutige Gemeindemesse, welche eine unentwegte Selbstdarstellung des Priesters, der Gemeindereferentinnen und der engagierten Laien ist und kein vergegenwärtigendes Gedächtnis des Kreuzesopfers Christi. Da leider heutzutage wenigstens in Deutschland die meisten Priester und Bischöfe nicht an die Wesenswandlung glauben und daher kein Problem bei der sakrilegischen Kommunion für die dauerhaften Ehebrecher – von den Gremien “wiederverheiratete Geschiedene” genannt, sehen, so muss man sich wirklich fragen, was da eigentlich am Altar stattfindet. Zwar ist der persönliche Glaube des Priesters für die Sakramentenspendung nicht notwendig, sondern die allgemeine Intention das zu tun, was die Kirche tut, aber dennoch bleiben viele Zweifel und Probleme bestehen.
Obwohl Pius XII als konservativ galt, so hat er selbst eine Bewegung angestossen bzw. sie erlaubt, welche leider auch direkt zur nachkonziliaren Krise beigetragen hat. Diese Entwicklung war u.a. die Neuübersetzung aller Psalmen, das sogenannte “Bea-Brevier”, welches von kard. Bea SJ, dem späteren großen “Hauptökumenisator” übersetzt und herausgegeben wurde. Der Schreiber dieser Zeilen hat es noch nicht in der Hand gehabt und kann sich somit noch keine philologische oder theologische Meinung bilden. Aber allein schon der Gedanke, dass jemand inmitten des XX Jhd. von sich annimmt, dass er über ein besseres und eleganteres Latein als der hl. Hieronymus, der Übersetzer der Vulgata, verfügt, scheint sehr vermessen. Denn jede Übersetzung ist ja eine Neuinterpretation und am Ende dieser Bea-Bewegung stand die lateinische Übersetzung der Neo-Vulgata, welche mit der eigentlichen Vulgata wenig gemein hat, maßgeblich aber auf dem Bea-Brevier fußt. Zum Glück hat sich vor dem Konzil das Bea-Brevier nicht durchgesetzt, da fast alle die alten Vulgata-Psalmen bevorzugten.
- Es ist Euch, ehrwürdige Brüder, sicher bekannt, daß gegen Ende des letzten und zu Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts ein außerordentlicher Wetteifer auf dem Gebiet der liturgischen Studien entfaltet wurde, sowohl durch private Arbeit, wie besonders durch die weit ausholende und emsige Tätigkeit einiger Klöster des berühmten Benediktinerordens; so wuchs nicht nur in vielen europäischen Nationen, sondern auch in den überseeischen Ländern diesbezüglich ein lobenswertes und fruchtbringendes Bemühen. Die segensreichen Früchte dieses eifrigen Bemühens konnte man auf dem Gebiet der theologischen Wissenschaften wahrnehmen, wo die liturgischen Riten der abend- und morgenländischen Kirche erschöpfender und tiefer durchforscht und erfaßt wurden, wie auch im geistlichen und privaten Leben vieler Christen.
- Die hehren Zeremonien des heiligen Opfers wurden besser erkannt, erfaßt und geschätzt, die Sakramente wurden allgemeiner und häufiger empfangen, die liturgischen Gebete inniger verkostet und die Verehrung der heiligen Eucharistie – was auch fortdauern soll – als Quelle und Mittelpunkt wahrer christlicher Frömmigkeit gewertet. Außerdem wurde die Tatsache in helleres Licht gerückt, daß alle Gläubigen einen einzigen, eng gefügten Leib bilden, dessen Haupt Christus ist, weshalb dem christlichen Volke die Pflicht obliege, in gebührender Weise an den liturgischen Handlungen teilzunehmen.
- Ihr wißt ohne Zweifel sehr wohl, daß der Apostolische Stuhl jederzeit eifrig bestrebt war, das ihm anvertraute Volk mit richtigem und lebendigem liturgischem Empfinden zu erfüllen; und wie er mit nicht geringerem Eifer darauf geachtet hat, daß die heiligen Handlungen auch nach außen durch angemessene Würde wirkten. Wir selbst haben, als Wir dem Brauch gemäß im Jahre 1943 zu den Fastenpredigern der Ewigen Stadt sprachen, sie mit Nachdruck ermahnt, ihre Zuhörer zu einer wachsenden Teilnahme am eucharistischen Opfer anzuspornen; und erst neulich haben Wir in der Absicht, das rechte Verständnis der liturgischen Gebete und die Erfassung ihres kostbaren Wahrheitsgehaltes zu fördern, das Buch der Psalmen, das in der katholischen Kirche einen großen Teil jener Gebete ausmacht, aus dem Urtext von neuem ins Lateinische übertragen lassen.[8]
- Während also diese Bestrebungen infolge ihrer heilsamen Wirkungen Uns nicht geringen Trost bereiten, fordert doch auch das Gewissen, daß Wir jene Erneuerungsbestrebungen im Auge behalten und sorgsam darauf achten, daß die Anregungen nicht ins Maßlose oder Fehlerhafte ausarten.
- Wenn Wir nämlich einerseits mit großem Bedauern feststellen, daß in verschiedenen Ländern der Sinn für die heilige Liturgie, ihre Kenntnis und ihr Studium gelegentlich ungenügend sind oder fast ganz fehlen, so müssen Wir anderseits mit Besorgnis, ja mit Furcht wahrnehmen, wie einige allzu neuerungssüchtige Leute vom Weg der gesunden Lehre und der Klugheit abweichen. Den Plänen und Bestrebungen zur Erneuerung der Liturgie, an die sie herantreten, mischen sie häufig Auffassungen bei, die in der Theorie oder Praxis diese heilige Sache gefährden und bisweilen mit Irrtümern behaften, die den katholischen Glauben und die aszetische Lehre berühren. Reinheit des Glaubens und der Sitte muß aber die hauptsächlichste Richtlinie dieser heiligen Wissenschaft sein, die mit der weisen Lehre der Kirche in allem übereinstimmen soll. Es ist demnach Unsere Pflicht, was gut ist, zu loben und zu empfehlen, was aber vom rechten Weg abweicht, in Schranken zu halten oder zu verwerfen. Es sollen jedoch die Säumigen und Lässigen nur nicht meinen, Wir wären mit ihnen zufrieden, weil Wir die Irrenden tadeln und die Allzukühnen zügeln; noch sollen die Unklugen es als Lob für sich deuten, wenn Wir die Nachlässigen und Zauderer zurechtweisen. Wenn Wir in Unserem Rundschreiben hauptsächlich von der lateinischen Liturgie sprechen, so geschieht das nicht, weil Wir die ehrwürdigen Liturgien der Ostkirche weniger schätzten; ihre Riten, durch alte und kostbare Urkunden überliefert, sind Uns ebenso teuer; das geschieht vielmehr wegen der besonderen Verhältnisse der abendländischen Kirche, die so geartet sind, daß sie das Eingreifen Unserer Autorität notwendig zu machen scheinen.
[8] Vgl. Pius XII., Motu proprio In cotidianis precibus vom 24. März 1945. AAS XXXVII (1945) 65-67.
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