
Evangelium des fünften Sonntags nach Pfingsten
Mt 5, 20 – 24 (Aus der Bergpredigt) Ich sage euch, wenn eure Gerechtigkeit nicht vollkommener sein wird als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen. Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollt nicht töten; wer aber tötet, soll dem Gerichte verfallen sein. Ich aber sage euch, jeder, der seinem Bruder zürnt, soll dem Gerichte verfallen. Wer zu seinem Bruder sagt: Du Tor! Soll dem Hohen Rate verfallen. Und wer zu ihm sagt: Du Gottloser! Soll dem Feuer der Hölle verfallen. Wenn du also deine Opfergabe zum Altare bringst und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altare, geh zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder; dann komm und opfere deine Gabe.
Predigttext des Kirchenvaters
Auslegung vom heiligen Bischof Augustin.
Die Rechtschaffenheit der Pharisäer besteht darin, daß sie keinen Totschlag begehen; die Rechtschaffenheit derer, die in das himmlische Reich eintreten sollen, darin, daß sie nicht ohne Grund in Zorn geraten. Es ist also das wenigste, keinen Totschlag zu begehen; und wer diese Vorschrift aufhebt, gilt als der allergeringste im himmlischen Reiche. Wer aber dieses erfüllt, so daß er keinen totschlägt, wird nicht sofort ein Großer und ein für das himmlische Reich Geeigneter; aber doch steigt er eine gewisse Stufe höher; er wird jedoch ein Vollkommener, wenn er nicht ohne Grund in Zorn gerät; wenn er dies zustande bringt, wird er um so mehr sich vom Totschlag fernhalten. Deshalb hebt derjenige, der lehrt, daß wir nicht in Zorn geraten sollen, nicht das Gebot auf, daß wir keinen Totschlag begehen sollen, sondern er vervollständigt es, auf daß sowohl nach außen, wenn wir keinen totschlagen, als auch wir im Herzen, wenn wir das Zürnen lassen, Freiheit von Schuld bewahren.
Es gibt daher Stufen bei diesen Sünden, daß also zunächst jemand in Zorn gerät und diese Regung, die ins Herz eingedrungen ist, festhält. Wenn nun diese Regung einen Laut des unwillig Gewordenen erpreßt, der keinen bestimmten Inhalt hat, sondern durch seinen Ausdruck jene seelische Regung bekundet, durch die derjenige getroffen werden soll, dem er zürnt, so ist dies gewiß schon etwas mehr, als wenn der aufsteigende Zorn durch Schweigen unterdrückt würde. Wenn man aber nicht bloß einen Laut als Äußerung des Unwillens hört, sondern auch ein Wort, das schon eine gewisse Beschimpfung desjenigen, gegen den es vorgebracht wird, bezeichnet und kenntlich macht, wer zweifelt daran, daß dies etwas mehr ist als wenn bloß ein Laut des Unwillens hörbar würde?
Nun kann man auch den dreifachen Grad der Strafwürdigkeit sehen, der vor das gewöhnliche Gericht führt, vor den Hohen Rat, in den Feuerschlund. Denn im gewöhnlichen Gericht gibt es noch eine Möglichkeit der Verteidigung. Wenn aber auch vor dem Hohen Rat eine gerichtliche Verhandlung stattzufinden pflegt, hat es doch, weil die Unterscheidung selbst zu dem Geständnis zwingt, daß eine Verschiedenheit vorhanden ist, den Anschein, daß zu dem Rat das Fällen des Urteils gehört; wo man also nicht mehr mit dem Angeklagten sich beschäftigt, ob er zu verurteilen ist, sondern wo die Richter unter sich beraten, zu welcher Strafe er zu verurteilt werden soll. Der Feuerschlund läßt aber weder die Verurteilung zweifelhaft sein, wie das gewöhnliche Gericht, noch das Strafmaß des Verurteilten, wie der Hohe Rat; beim Feuerschlund ist die Verurteilung und auch das Strafmaß des Verurteilten sicher.
V. Du aber, o Herr, sei uns gnädig.
R. Gott sei Dank gesagt.
Kirchengebet
O Gott, der Du denen, die Dich lieben, unsichtbare Güter vorbereitet hast; ergieß in unsere Herzen die Anmuthung deiner Liebe, damit wir Dich in Allem und über Alles lieben, und so deiner Verheissungen, die alle Wünsche übersteigen, theilhaftig werden! Amen.

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