
Lesung aus dem heiligen Evangelium nach Johannes. In jener Zeit, am ersten Wochentag, kam Maria Magdalena früh, da es noch finster war, zum Grab …
Auslegung vom heiligen Papste Gregor. Die Lesung des heiligen Evangeliums, die ihr, Brüder, eben gehört habt, ist bei oberflächlicher Betrachtung des Berichtes ganz durchsichtig; aber wir müssen ihre tiefsinnigen Lehren in Kürze aufspüren. Maria Magdalena kam zum Grabe, als es noch finster war. Gemäß dem geschichtlichen Sinne wird hier die Tagesstunde bezeichnet; gemäß der höheren und sinnbildlichen Auffassung wird die geistige Tätigkeit der Suchenden angedeutet. Maria suchte nämlich den Schöpfer des Alls, den sie leiblich tot geschaut hatte, im Grabe und, weil sie ihn gar nicht finden konnte, glaubte sie, er sei gestohlen. Es war also noch finster, als sie zum Grabe kam. Sie lief ganz rasch, meldete es den Jüngern; doch eilten jene schneller als die übrigen, die eine größere Liebe hatten als die übrigen, nämlich Petrus und Johannes.
Sie liefen nun beide zusammen; aber Johannes kam, weil er schneller lief, dem Petrus zuvor. Er kam früher zum Grabe, aber er wagte es nicht, hineinzutreten. Also kam Petrus nach ihm und trat hinein. Was hat, Brüder, was hat das Laufen zu bedeuten? Soll diese so genaue Schilderung des Evangelisten ohne tieferen Sinn sein? Keineswegs. Denn Johannes hätte nicht von sich gesagt, daß er gelaufen und nicht eingetreten sei, wenn er geglaubt hätte, daß in seiner Zaghaftigkeit kein tieferer Sinn enthalten gewesen sei. Was also anders wird durch Johannes angedeutet als das Judentum, was anders durch Petrus als die Kirche?
Und es darf nicht wunderlich scheinen, daß behauptet wird, durch den Jüngeren werde das Judentum, durch den Älteren das Christentum angedeutet; denn wenn auch in bezug auf die Verehrung Gottes das Judentum früher ist als die Gemeinschaft der Nichtjuden, ist doch in bezug auf den Gebrauch der irdischen Lebenswerte früher die Menge der Nichtjuden als das Judentum, gemäß dem Zeugnis des heiligen Paulus: „Es ist doch nicht das früher, was übernatürliche Werte hat, sondern das, was bloße Natur ist.“ Durch den älteren Petrus wird also die aus Nichtjuden bestehende Kirche bezeichnet, durch den jüngeren Johannes die aus Juden bestehende alttestamentliche Gemeinschaft. Beide laufen gleichzeitig; denn von ihrem eintritt ins Leben an bis zum Austritt lief auch gleichem und gemeinsamem Wege, wenn auch nicht in gleichem und gemeinsamem Sinne, das Heidentum mit dem Judentum. Das Judentum kam früher zum Grabe, ging aber keineswegs hinein; denn es erhielt in seinem Gesetze die Gebote, es hörte die Voraussagungen von der Menschwerdung und dem leidensvollen Tode des Herrn, es wollte aber an den Gestorbenen nicht glauben.
Kirchengebet
Wir bitten Dich, allmächtiger Gott: laß uns in Deiner Huld durch das Osterfest, nachdem wir es ehrfurchtsvoll gefeiert haben, zu den ewigen Freuden gelangen. Durch unsern Herrn. Amen.
Quelle: Erzpriester Stephan, Das kirchliche Stundengebet Teil II, S. 260 ff.
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