
Mantillageschichten
Tag 3:
Der Sonntag, an dem meine Freundin in „ihren“ Gottesdienst geht. Der Sonntag, an dem ich schon vor dem Gottesdienst die geweihten Mantillas in Händen halte. Am Vorabend habe ich vorsorglich die raue Haut an meinen Händen „gebändigt“, die den Mantillas durchaus gefährlich werden kann, denn sie sind aus einem sehr feinen Gewebe. Ich will mir doch Tipps holen, wie ich sie am besten aufsetze, dazu muss ich sie ja in die Hand nehmen.
Hmm … soll ich? Die Entscheidung fällt leicht. Natürlich! Einen Moment lang bin ich im Vorraum alleine, da nehme ich die braune Mantilla aus ihrer Hülle und setze sie mir auf den Kopf um zu sehen, ob ich die Pelikanschnäbel brauche oder ob die Mantilla auch ohne hält. Ergebnis: das bisschen „Stroh“ auf meinem Kopf hält die Mantilla so, wie ich sie aufsetze! Seidig weiches Haar hatte ich noch nie und diese Mantilla ist auch etwas steifer. Die Mantilla kann nicht herunterfallen.
An dieser Stelle möchte ich nun einige Punkte aus dem 50-Punkte Programm zur Mantilla (nenne ich das jetzt mal) erwähnen und mit meinen Erfahrungen vergleichen, die ich im ersten Gottesdienst mit Mantilla gemacht habe:
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Atmen Sie tief und regelmäßig, während Sie ihn auf Ihren Kopf legen.
Doch, ja, ich habe schon tiefer eingeatmet … das tut gut …
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Gehen Sie nervös in die Kirche.
Meine Nervosität war nicht so groß, wie ich es erwartet hatte, aber deutlich spürbar.
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Fühlen Sie sich sehr unsicher.
Unsicher war ich durchaus, aber ich hatte ja etwas „getrickst“ (wie, das erzähle ich gleich).
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Ziehen Sie an Ihrer Mantilla, um sicherzugehen, dass sie sicher sitzt, aber tun Sie es heimlich (WAS, WENN JEMAND ES SIEHT???)
So sicher, wie die Mantilla im Vorraum auf meinen Haaren gesessen hatte, war dies absolut NICHT notwendig und ich hatte keinerlei Bedürfnis, das zu tun.
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Schauen Sie um sich um zu sehen, ob die Leute Sie nun vollends verurteilen.
Auch dieses Bedürfnis war eher gering ausgeprägt, ich konnte mich, im Vergleich zu dem, was ich mir auf Grund der neuen und ungewohnten Situation erwartet hatte, gut auf den Gottesdienst konzentrieren. Einer gewissen Ablenkung ist der Mensch ja immer unterlegen, ich denke, die war nicht wesentlich größer als sonst.
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Seien Sie überrascht, dass sie es nicht tun.
Der einzige Anlass, dessentwegen mir etwas mulmig zu Mute war – der Gang nach vorne zur Kommunionbank. Wie viele der Gläubigen würden mich sehen – und nach dem Gottesdienst ansprechen???
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Seien Sie ein wenig enttäuscht, dass es die Leute nicht einmal berührt.
Nein, enttäuscht war ich nicht, eher etwas verwundert und dankbar.
Die Neigung der Mantilla zum Verrutschen war zu meiner höchsten Zufriedenheit getestet, ich steckte die Mantilla wieder gefaltet in die Tasche zu Schott und Gesangbuch (nicht in die Hülle, ich wollte sie ja zum Gottesdienst tragen) und setzte mich hinten neben die Orgel auf den gewohnten Platz. Der Rosenkranz wurde schon gebetet, es waren wohl noch 25 Minuten bis zum Beginn des Gottesdienstes. Wer in den Gottesdienstraum trat, musste mich sehen (zur Erinnerung: die Mantilla steckte noch in der Tasche).
Nach dem Ende des Rosenkranzgebetes bereitete ich die Orgel für den Organisten vor. Die Organisten kommen und gehen leider immer sehr knapp, da sie vorher und nachher in anderen Kirchen den Orgeldienst zu verrichten haben. Daher kommen sie manches Mal leider auch zu spät. Also macht immer vorher jemand die Orgel „startklar“.
Kurz vor dem Beginn des Gottesdienstes ein schneller Griff in die Tasche, Schott und Gesangbuch auf ihren Platz, ebenso die Mantilla. Im Vorraum gibt es keinen Spiegel, da hatte das ja (vermutlich, ich konnte es ja nicht sehen) auch auf Anhieb geklappt. Da huscht noch schnell eine Mitsängerin herein, die mich zuvor ohne Mantilla hatte sitzen sehen und fängt (zwar dem Ort ensprechend SEHR gedämpft, aber) prustend an zu lachen (nur gut, dass die Schola nicht im Chorraum sitzt … Niemand scheint das Lachen zu hören). Offensichtlich weiß sie überhaupt nicht, was das ist und was das bedeutet … (Schade!). Ich kannte die Mantilla bislang nur von Bildern, die wohl während Gottesdiensten aufgenommen worden waren … immerhin …
Gottesdienstbeginn. Vor dem Asperges stellt sich die Schola zum Singen auf. Nun sehen mich auch die anderen Scholasänger, die ansonsten vor mir ihre Plätze haben. Ich kann keine Reaktion erkennen, höchstens einen kurzen erstaunten Blick aus dem Augenwinkel. Den anderen scheint nichts aufzufallen.
Der Sakristan weiß, dass ich die geweihten Mantillas habe. Der Priester hat sie geweiht, und er wird wohl auch wissen, wem sie gehören (die Segnungen und Weihen geschehen hinter verschlossener Tür, da der Raum sehr kein ist. Wollte jeder dabei sein …). Bei der Verlesung von Lesung und Evangelium auf Deutsch sowie bei der Predigt steht der Priester dem Volk zugewandt. Es ist keine Reaktion auf seinem Gesicht erkennbar, man könnte denken, dass er kurz in meine Richtung schaut.
Beim Gang zur Hl. Kommunion nehme ich mir vor, mich auf das Geschehen zu konzentrieren – mein Gott möchte in mein Herz einziehen – die Menschen um mich herum sollten mich jetzt nicht interessieren. Und auch hier bin ich wohl nicht wesentlich mehr abgelenkt als sonst. Gott sei Dank!
Nach dem Gottesdienst habe ich gleich die Mantilla abgesetzt und eingepackt. Eine Gottesdienstbesucherin, der ich Mantillas gezeigt hatte, als ich sie zum Weihen mitgebracht hatte, und die wusste, dass ich die nun geweihten Mantillas wieder hatte, fragte mich vorwurfsvoll, warum ich sie denn nicht aufgesetzt hätte … So andächtig möchte ich auch Gottesdienst mitfeiern können, dass ich praktisch nichts sonst wahrnehme. Und ich habe bemerkt: die Mantilla hilft dabei! Der Segen macht’s!
Tag 4:
Heute wollte meine Freundin aus dem Osten mit mir zusammen in die TLM gehen, aber sie ist verhindert. Schade! Sonst wären wir zu zweit mit Mantilla gewesen.
Inzwischen hat sich wohl „herumgesprochen“, dass die eine aus der Schola … letzte Woche hat ja anscheinend (!?!) kaum jemand bemerkt, dass ich mit Kopfbedeckung im Gottesdienst war (das war von mir so beabsichtigt). Heute haben zwei aus der Schola schon etwas mehr hingeschaut, auch im „Kirchenvolk“ haben sich einige umgedreht. – Um zu sehen, ob ich heute wieder …? Hallo, Eugenie, das ist nicht wichtig! Du tust das um Gottes Willen! Sie werden sich noch daran gewöhnen – und für mich ist das ja auch neu. Letzte Woche war auch eine orthodoxe Organistin da, die ist das gewohnt. Heute hat jemand anders gespielt. So ein wenig „menschliche“ Unterstützung tut am Anfang doch sehr gut, das ist mir heute aufgefallen.

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