
Geistesunterscheidung als Charisma für andere
Obwohl der Schreiber dieser Zeilen wirklich viel Theologisches zum Thema der Geistesgaben gelesen hat, so ist ihm nirgendwo diese schöne und klare Unterscheidung, wie sie Kardinal Bona dargelegt, begegnet. Kurz und bündig: die Gabe der Geistesunterscheidung gehört zu der Kategorie der gratia gratis data, d.h. die frei verliehenen oder die umsonst gegebenen Gnade. Zwar ist, wie Diekamp-Jüssen in Anlehnung an frühere Autoren schreibt,[1] jede Gnade ihrem Begriff nach “umsonst gegeben”; aber die Bezeichnung gratia gratis data (die umsonst gegebene Gnade) wird im Anschluss an Mt 10,8 (gratis accepistis, gratis date – „umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“) insbesondere den Gnaden beigelegt, durch die der Empfänger das Heil anderer fördern soll, im Unterschied von der gratia gratum faciens –die heiligmachende Gnade, welche die Heiligung des Empfängers selbst zum Ziel (Summ. theol. 1, 2, q. 111 a.1) hat. So heiligt die heiligmachende Gnade (gratia gratum faciens), die wir hauptsächlich in den Sakramente empfangen, ontisch, d.h. wesenhaft, und selbst, die umsonst gegebene Gnade (gratia gratis data) hingegen heiligt durch uns andere.
Daher werden die Charismen, die gratiae gratis datae, die umsonst gegebene Gnaden, nach 1 Kor 12, 4 genannt, unter welchen sich auch die discretio spirituum – die Gabe der Geistesunterscheidung – befindet. Der Apostel zählt in 1 Kor, 8-10 neun solcher Gnaden gaben auf (alii quidem per Spiritum datur (1) sermo sapientiae alii autem (2) sermo scientiae secundum eundem Spiritum, alteri (3) fides in eodem Spiritu alii (4) gratia sanitatum in uno Spiritu, alii (5) operatio virtutum alii (6) prophetatio alii (7) discretio spirituum alii (8) genera linguarum alii (9) interpretatio sermonum). Obwohl uns natürlich die gängige Übersetzung der Charismen bekannt ist, so wollen wir hier die lateinischen Termini in einer eigenen Übersetzung darlegen, um zu zeigen, wie sehr sie sich diese von der gegenwärtigen, charismatischen Theologie unterscheiden. Schon ein an dieser Stelle sei angefügt, dass die klassische, katholische Lehre von den Gnaden des Heiligen Geistes, wie sie beispielsweise beim hl. Bonaventura zu finden ist, sich erheblich von der Theologie der Gnadengaben, wie sie in der katholischen, charismatischen Bewegung gelehrt wird, abweicht. Die Erstere ist katholisch, die Letztere im Ansatz protestantisch-freikirchlich. Die Gnaden gaben sind also:
- Rede der Weisheit
- Rede der Erkenntnis nach dem Geist
- Glaube in demselben Geist
- Gnade der Heilung in einem Geist
- Wirkkraft der Mächte Gottes, d.h. Wunderwirkung
- Prophetie
- Unterscheidung der Geister
- Arten der Zungenrede
- Übersetzung der Rede.
Thomas von Aquin lehrt in a. 4 (Summ theol. 1, 2, q. 111), dass (1) bis (3) sich auf die zur Unterweisung an der erforderliche vollkommene Erkenntnis göttlicher Dinge beziehen. D.h. sie stellen die Gnaden des Lehrenden dar, die er besitzen muss, bevor er überhaupt zu lehren anfängt. Die folgenden (4) bis (7) dienen der Bekräftigung dessen, dass der Lehrer die Wahrheit sagt. An dieser Stelle ist festzustellen, dass die wahren, von Gott kommenden Wunder, ausschließlich der Bekräftigung der wahren Religion dienen und der Verkündigung nachfolgen. Denn auch Satan kann Wunder wirken und wirklich Paranormales gibt es auch außerhalb des Christentums. Die letzten zwei Charismen, (8) und (9) helfen dem Lehrenden die Wahrheiten in einer den Hörern angemessenen Weise zu verkündigen. Weil die Charismen als die umsonst empfangenen Gnaden (gratiae gratis datae) nicht den Zweck haben den Empfänger zu heiligen, so brauchen sie nicht immer mit der Heiligunsgnade verbunden zu sein. Denn Gott kann auch Ungläubigen oder Sündern, ohne ihnen die heiligmachende Gnade (gratia gratum faciens) zu geben Charismen verleihen, um durch sie die Heiligung anderer zu erzielen (Mt 7,22 f.; Joh 11, 51; Thomas, In 1 Cor 13 lect.1). Die Gabe der Geistesunterscheidung (7) ist also ein Charisma, welches vorwiegend die Geister bei anderen unterscheidet.
[1] Diekamp-Jüssen, Katholische Dogmatik, Will 2012, 666.
Kapitel II
Es gibt eine doppelte Gnade: die eine ist die rechtfertigende und gottgefällig machende (gratia gratum faciens); die andere ist die vorzugsweise frei verliehene Gnade (gratia gratis data). – Worin jede der beiden bestehe. – Die Unterscheidung der Geister hat unter den frei verliehenen Gnaden gaben den Vorzug.- Was diese Unterscheidung sei. – Ob sie nach Art einer bleibenden Eigenschaft (habitus) verliehen werden. Es gibt zwei Arten derselben, deren eine von Gott eingegossen, die andere aber als eine Fertigkeit durch Übung erlangt wird.
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